Keitumer Predigten Traugott
Giesen 06.10.2002
Gott sei Dank! (Römerbrief
6,17)
Diese Wortmünze ist ziemlich abgegriffen,
- und doch: scheinbar nur so dahingesagt, läßt sie Sinn aufleuchten.
Da redet man sich irgendwelche Zusammenhänge zurecht, ganz an der
Oberfläche, sachlich, lückenlose Realität, und dann so was:
Gott sei Dank - die Goldmünze unter Nickelgeld, Gott sei
Dank -da hüpft die Seele auf die Zunge, da offenbart sich das
Gedächtnis des Herzens.
Ich mag Kirche vor allem, weil sie Dank einspeist
in den Alltag, ja, unser Leben deutet als Segensfeld, das wir nur mit
Ehrerbietung und Dank begehen können. Liebevoll nimmt Kirche den neuen
Erdenbürger in die Menschheitsfamilie auf; leitet auf den mühsamen
Weg des Erwachsenwerdens; hilft Liebenden, sich von Gott anvertrauen zu lassen;
und sagt für den Toten: Komm gut heim. Kirche hütet
das Grundwissen der Menschlichkeit: Wir sind nicht Gott und nicht Unsinn,
sondern sind Erde voll Sehnsucht, sind Irdisches mit viel Himmel
im Kopf. Ein Fest besonders hält die Verbindung zwischen oben und unten,
zeigt geradezu Gott zum Anfassen, stellt das Leben als Segensfeld dar. Und
nimmt uns von der besten Seite: als dankbar.
Der Altar ist auch von dir mitgeschmückt.
In andern Gemeinden ist der Kindergarten nah dran, da schmücken die
Erzieherinnen mit Pastor/Pastorin und Kindern und Eltern; oder wo Landwirtschaft
floriert, da schmücken die Landfrauen, aber in unserer stark von
Gästen geprägten Gemeinde hätten wir uns gestern treffen
müssen, na - unser Kirchwart Volquardsen und eine Blumenspezialistin
haben uns geholfen - unsern Dank zu zeigen. Da lodern die feurigen Herbstblumen,
da prangen Kürbisse und Kohl, ein Sack Kartoffeln steht still. Und
Äpfel, Möhren, Birnen liegen kunstvoll ausgebreitet. Oben auf dem
Altar liegen Brot und Wein: Brot steht für Kalorien, Wein für die
Freude, Gemeinschaft, Liebe. In Brot und Wein ist Gottes
Fürunsdasein so handfest verstofflicht - und in den
Blumen.
Und ein Bogen Papier steht da - Platz für
je den eigenen Dank. Beam deine Gedanken hin. Denk nach jetzt, schreib deine
Liste der Dankbarkeiten
. Was würde das Gedächtnis deines
Herzens gern zum Himmel heben? Jedenfalls weist du von dir weg: Du hast dich
nicht sellbst geschaffen und deinen Nächsten auch nicht, auch deine
Freudenbegabung nicht, deine Talente. Du dankst und sagst damit: Ich hab
viel empfangen, wieder glückte viel, auch mein Können und Wollen
ist Geschenk: Meine hinreichende Gesundheit und meine meist heitere Seele;
meine Lust, doch wieder einzusteigen in den Tag, und wieder Nützliches
zu machen.
Ja, Dank dir; dir mir oft verborgener lieber
Gott, oder wie du auch heißt, du Herz des Lebens, du Hirn des Seins,
Dank für Zugehören und Lieben, Dank für Gemochtwerden, Dank
dafür, dass ich gerne "Ich" bin, meist jedenfalls, und dass ich nicht
dauernd mit mir rumschleppen muß, sondern einigermaßen klarkomme;
Dank für einigermaßen wache Vorsicht und dass ich die Mitmenschen
ziemlich mag, sie jedenfalls nicht für dümmer halte, als mich
selber.
In meine, deine Liste der Dankbarkeiten
gehören auch Kinder, Bäume, Hunde, Bücher, intelligente Zeitungen,
ein Auto - mit Schiebedach, gut in diesem langen Sommer. Dank für Retter
in der Not und Völkerfrieden, dass es so was wie die UNO gibt und
Brot für die Welt. Und Musik und Fernsehen und Computer,
die schnell zur Verfügung stellen das Wissen der Welt.
Dank auch, dass ich die Niederschläge hinnehmen
konnte als Auszeit, um tief durchzuatmen und neu zu sortieren. Wir brauchen
nicht danken fürs Schwere - obwohl: unnachahmlich sagte das eine Frau
im Gesprächsabend: Durch eine schwere Krankheit wurde ich vor
Schlimmerem bewahrt. Im Nachhinein kann uns geschenkt sein, dass wir
uns erleben als die, die durch das Leid andere geworden sind, und wir konnten
diese Verwandlung auch hinnehmen, das Leid blieb nicht beständiges Leid,
es rückte mit der Zeit aus dem Mittelpunkt. Dafür danken, dass
du nicht gebannt bliebest, sondern langsam in ein anderes Sein getragen wurdest,
es kam dich teuer zu stehen, und doch kommst du jetzt mit dir aus. Der, die
du geworden bist, möchtest dich nicht missen, dich verwandelten Menschen.
Jetzt, wo du wie geschält zwischen den Dingen stehst( R.
Musil), erinnerst du eine unterirdische und unirdische Kraft in dir: du wurdest
in den Leiden vor dem Sturz in die Finsternis bewahrt. Eine immerwährende
kleine Flamme ist in dir: Die Freude zu sein.
Also diese Flamme Sein, gern Du sein, hiersein,
muß mit auf den Altar.
Und Dank fürs Glücklichsein können.
Es gibt andere Zeiten, da steht Leid an und muß durchgestanden werden;
da steht Schufterei und Prüfungen an, die müssen bestanden werden.
Es gibt Zeiten, da müssen wir durch. Und dann kommt das Nächste,
da müssen wir auch durch. Und dann ist da nichts von Glück, dann
ist nur Schmerz und bestenfalls einer, der mit unter dem Joch ist, und dem
man nichts erklären muß, und dann vielleicht ein paar Stunden
Schlaf, und dann weiter. Und die Schwärze, hilflos ersticken und Eltern,
die alleinlassen mussten, es ist zum Heulen, so viel Leid in der Welt. Auch
der monströse Gedanke an Krieg, wenn auch nur als Druckmittel angedroht,
macht alles denkbar und rückt uns in Vorkriegszeiten.- Die leere Seite
am Altar hat auch Platz für die Klage. Die schlechten Ernten sind auch
Gottes Ernten, die Täter und die Opfer sind auch Gottes Menschen, die
mit Krieg fuchteln sind Gott vorzuhalten. Der letzte Grund für Dank
und Klage ist Gott, die Ursache von allem.- Jeder Morgen, wenn du die Zeitung
öffnest, wirst du Zeuge, wie sich Gott einen Berg von Leid auflegt.
Wir weinen nicht ins Leere und weinen nicht allein.
Aber es gibt auch andere Zeiten, Zeiten für
die wir eigentlich gemacht sind, nicht für Leid und Geschrei und
Tränen und Schmerz, sondern für Zeiten der Freude, Zeiten des
Glücks. Gott loben, das ist unser Amt. Das Loben muß
aus dem Leben entspringen, es ist natürlich, ist Echo des Wirklichen,
ist wie das freudige Wiehern des Pferdes, wenn seine Reiterin mit der
großen Portion Möhren kommt. Loben ist nicht höfliche Verabredung
und Erziehung, sondern das Behagen beim guten Wein oder beim guten Film oder
bei der glückenden Umarmung. Loben ist nichts zusätzliches, sondern
ist das Merken des Glücks, das Merken des Beschenktseins, loben ist
Danken fürs Glücken. Salut gen Himmel eben fürs
Hierseindürfen und dies Merkenkönnen, es bewusst wissen können:
gut zu leben, gut, du, ich zu sein, gewollt, beschenkt, geliebt, gebraucht.
Wir sind verpflichtet glücklich zu sein,
in den alltäglichen Zeiten.
Ja, es gibt auch andere, - aber dankbar sein,
glücklich sein, ist Pflicht, wenn die Umstände erträglich
sind und die Bitternis des Lebens sich auf Kleinigkeiten beschränkt
(Alain).- Darum Erntedank auch der Tag, an dem ich Abbitte tue für
Mäkeln und Jammern, für Michbeschweren und Vermiesen, für
Runterziehen und schlechte Stimmung verbreiten, die sich gern was vorspielen
lassen, um zensieren und schmollen zu können. Dank dagegen für
alles hochgemute Auf-die-Zähne-Beißen, fürs Freude machen,
fürs Anstiften zum Lachen, für die, die ein Licht anzünde,
statt über die Dunkelheit zu schimpfen, die einen Tanz veranstalten
statt übers Wetter zu mähren.
Wenn du über dich nachdenkst, hast du
eigentlich viel zu beanstanden? Im Ernst, hast du viel zu meckern? Jossel
kam zum Rabbi: "Ach, Rabbi, Verehrter, ich hab es so schwer, zu sechst hausen
wir in einem Zimmer, Mann, Frau, zwei Kinder und Schwiegereltern, den ganzen
Tag eine Unruhe, und die Nacht, ein Gewoge, es ist nicht auszuhalten. Gib
mir einen Rat vom Allmächtigen". "Ja, tu folgendes, Jossel: Du hast
doch einen Ziegenbock draußen im Garten, den hole ins Haus, ins Zimmer,
dem einzigen". "Was, den Bock dazu"? "Tu, was ich dir sage, 14 Tage, dann
kommst du wieder."
Nach vierzehn Tagen kam er wieder. "Na wie ist
es"? "Fürchterlich, nicht auszuhalten". "Dann tu den Bock wieder in
den Garten. Und nach vierzehn Tagen kommst du wieder". Nach vierzehn Tagen
kam Jossel und fiel auf die Knie und küsste dem Rabbi die Hände:
"Schön haben wir's zu sechst in einem Raum, ohne den Bock. Oh, haben
wir es gut. Gott sei's gedankt".-
Nach dieser Geschichte könnte unsere Dankliste
noch voller werden. Amen.
Schlußgebet