Keitumer Predigten Traugott
Giesen 01.09.2002
Fröhlich, geduldig, getragen
Wir haben mehr Ursache uns zu freuen als traurig
zu sein; denn wir hoffen auf Gott, der da sagt (Joh. 14, 19): "Ich lebe,
und ihr sollt auch leben." Aber die Traurigkeit ist uns angeboren. "Der Gott
der Traurigkeit tötet, aber unser Herrgott erhält uns."
(Luther)
"Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in
Trübsal; fest im Gebet." (Römerbrief 12,12)
Das ist doch der Dreiklang des Glaubens:
fröhlich, geduldig, gefestet im Gebet. Oder anders, als Wiegeschritt:
fröhlich, geduldig, weil getragen im Gebet. Das Gebet als die Schwingen,
die mich tragen mit Frohsein und Geduld. Dies Wort wird als Trauspruch gern
gegeben; im Standesamt Charlottenburg steht eine reich geschnitzte Bank mit
der Aufschrift: Fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal
- auch gekürzt um das fest im Gebet ermutigt es wohl.
Also Fröhlich in Hoffnung! - Fröhlich,
althochdeutsch verwandt mit Frosch, mit springen, hüpfen vor Freude
- eben wieder bei Enkelin Paula gesehen, die gern sich dreht und singt, im
Tanzschritt eilt, ausgreifend mit den Händen einen mitzieht, gemeinsame
Sache zu machen, leicht was abgibt, das Bonbon aus dem Mund holt und an Opa
verfüttern - gern sie selber, mit diesem Lachen, unbändig die
Gewißsein, zu taugen. Fröhlich in Hoffnung strahlt
aus: Ich bin gewollt, ich bin richtig, weil geliebt, und es schmeckt mir
gut, das Leben und dein Angesicht erhellt sich, weil ich da bin, so ein
Glück. - Dies Jauchzen, das die Umstände zum Mitschwingen bringen,
und wenn du geweint hättest bis eben, jetzt nicht mehr, faß mich
an, wir tanzen den Sorgen davon. Sieh doch die Kastanien, wie sie aufplatzen
aus dem Igelkleid, sieh den Regenbogen, sieh doch dein Gesicht im Spiegel,
nachdem ich dich angemalt und geschmückt habe, dein ernstes Gesicht,
Opa, ist doch zum Lachen, was gibt's denn Wichtigeres, als jetzt mit Paula
fröhlich sein?
Freue dich, sei froh! - Das ist Gebot. Darum
heißt auch eins der frömmsten Lieder: Geh aus mein Herz,
und suche Freud! Letztlich doch wohl, wie Oma den Enkeln sagt: Sucht,
sucht, ich habe was Schönes versteckt. So Gott: Die Schöpfung ist
mit Können, Dürfen, Glücken beschenkt, gut ist das, sehr gut.
Aber glücklich wird Gott erst daran, dass er seine Brut glücklich
sieht, wie sie die Geschenke auspacken, sich in ihnen laben, sie in Gebrauch
nehmen, Spaß dran haben und miteinander feiern. Suche Freud! - ist
der Auftrag: sieh dich als erfreubar, sieh dich erhellt, durchglüht,
letztlich: sie dich als geliebt, fröhlich in Hoffnung.
Lustig kann man wohl auch ohne Hoffnung sein,
bierselige Böen von Gelächter. Aber fröhlich meint
weiten Horizont, Füße auf weiten Raum gestellt (Psalm 31,9); mit
Aussicht, da wächst was, wächst wieder was, da ist was im Werden,
und du bist dabei, ein gutes Enden steht an, es soll nicht dunkel bleiben
über denen, die in Angst sind (Jesaja 8,3).
Fröhlich auch in der Hoffnung, mit der
du einen kleidest, einem eine Tür öffnest, einen ansteckst mit
Vertrauen: Du gut. Du taugst, du kannst lernen, klarzukommen. Froh in Hoffnung,
dass es gut ausgeht, mit Gott und der Welt; und im Augenblick, jetzt, auch
mit deinen leichten Anflügen von Depression, sieh dich eingestellt in
die Hoffnungsschimmer Crew. Du fädelst Chancen ein, du säst Freude,
und lässt dir Freude anderer von Herzen gefallen.
Ein kleiner Schlenker: "Ich liebe dich" - hat
Schattenseiten: es verlangt nach der Antwort: Ich dich auch.
Es klingt nach Einvernahme und Habenwollen. Dagegen: "Ich bin froh, dass
es Dich gibt; bin froh, dass du da bist." - Dies lässt frei, Hauptsache,
dass du da bist und du du bist. Das nimmt nicht in Beschlag, dieses Frohsein:
Es ist ein in sich selbst Vergnügtsein: eine Leichtigkeit, ein Glück,
nicht ein Haben, sondern ein Genießen. Sei fröhlich - also dankbar,
dass du du bist, auch fröhlich in der Freude, die das Leben gerade jetzt
dir verschafft.
Und sei geduldig in Trübsal!
Mühsal und Leid, Schmerz und Ohnmacht
gehören zum Leben. Noch bitten wir: "Gott dein Wille geschehe", weil
sein Wille noch nicht vollständig geschieht, noch ist die Sehnsucht
nach Liebe größer als das Maß des Liebens, noch verwüsten
und vergeuden wir auf der Suche nach Wohlleben; noch stürzen wir in
komplizierte Brüche oder gar zu Tode, noch wollen wir mit Gewalt das
Böse bannen, doch wer Wind sät wird Sturm ernten (Hosea 8,7). Noch
tauchen Defekte in der komplizierten Schöpfung auf, noch gibt uns Gott
dahin an die Folgen unseres Tuns (Römer 1,24), ein Stück weit,
jedenfalls. Noch muß Leid getragen werden, und selig die, die es ein
Stück weitertragen zur Verwandlung hin.
Geduld ist ja nicht Passivität, Geduld
ist eine stillhaltende Aktivität, wie sie dem Kranken gut ansteht, warum
wir im Krankenhaus ja auch Patienten, also Geduldige, genannt werden. Oliver
Sacks, ein berühmter Therapeut schrieb ein Buch: "Der Tag, an dem mein
Bein fortging": Er war auf einer Gebirgswanderung von einem Ochsen am
Oberschenkel durchbohrt und beschreibt seine Rettung und Genesung, und darin
sagt er zu sich als Patienten: "Es hat keinen Sinn, sich aufzuregen, wenn
man Patient ist, ist es das wichtigste, Geduld zu lernen! Du wirst sehr
scharfsinnig und stark und mutig sein müssen. Und du wirst auch
demütig sein und deinen Kopf beugen und anerkennen müssen, daß
es viele Dinge gibt, die unser Verhältnis übersteigen. Du darfst
nicht überheblich sein aber du darfst dich auch nicht entmutigen
lassen
Ich war in der Vorhölle - sie dauerte zehn Tage, in denen
Zeit nicht existierte. Sie begann als Qual, verwandelte sich dann aber in
Geduld, begann als Hölle, wurde dann aber zur dunklen Nacht des Fegefeuers,
demütigte mich entsetzlich, nahm mir alle Hoffnung, um sie mir dann
süß und sanft und in veränderter Form tausendfach
zurückzugeben."
Geduldig: also mutig und demütig, nicht
dich aufgeben, aber der Zeit Zeit lassen. Kraft gibt es aus der Hoffnung,
dass es im Guten endet: Du bist in einem Sein, das nie dich ausstößt,
das dich nur verwandelt und fruchtbar macht, auch wenn es dich teuer zu stehen
kommt, und wir den geliebten Leib letztlich fahren lassen müssen.Geduldig,
weil kein Leid beständig sein wird, selbst wenn wir eine Strecke
verblöden und unser Äußeres zerfällt - wir werden gerettet.
Ich will mein Leid annehmen, wie viele ihre Gebrechen annehmen und sich fast
überlisten mit einer Art Freude, mit der Freude, zu sein. Ja, "der Schmerz
hat nur Sinn, solange eine Heilungsmöglichkeit besteht. Was aber soll
der Metastatiker mit seinen Schmerzen anfangen? Hier hört jede
mögliche Sinngebung auf, und es bleibt nur noch das Morphium" (Peter
Noll, Diktate über Tod und Sterben). "Nichts, was einem selbst geschieht,
ist unerträglich", Saint-Exupéry hat diesen dunklen Satz gesagt.
Verstehen kann ihn, wer gesehen hat, wie der Mensch, den er liebte, zu Tode
kam,. Und er selbst darf leben, noch wieder leben, und wieder lieben, und
lachen.
Geduldig in Mühen! Martin Luther, obwohl
ein freudenvoller Mensch, sah er sein Leben voller Mühen. "Ich muß
Geduld haben mit dem Teufel, ich muß Geduld haben mit den Schwärmern,
ich muß Geduld haben mit dem Adel, ich muß Geduld haben mit den
Hausgenossen, ich muß Geduld haben mit der Käthe von Bora, und
der Geduld ist noch so viel, daß all mein Leben nichts anders sein
will als Geduld." Am meisten brauchte er wohl noch mit sich selbst
Geduld.
Und woher nehmen? Doch letztlich aus einem tiefen
Vertrauen: "Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen"
(Römer 8,28) Wenn sie sich die Dinge zum besten dienen lassen. Also
den Zustand, in dem ich mich befinde, annehmen und durchleuchten und verstehen.
Nie ihn als Endstation nehmen, immer als Vorübergehendes, als Schritt
in ein Besseres. Also die Mühe, die mir jetzt obliegt als nützlich
ansehen, als Lernstoff für Weiteres. Was gewährt ist, genießen;
was auferlegt ist, tragen, nicht auf Schwächere abwälzen, und ja,
warten auf den Augeblick, wo die Erschöpfung einen Teil der Schrecken
nimmt: "Es hinnehmen, es hinnehmen zu müssen" (M Yourcenar), als
Verhängnis "wie eine Vorwegnahme von Sterben" (B. Hellinger)- aber nicht
voreilig die Hände in den Schoß legen, such bei heftigem Gewitter
was zum Unterstellen. Leid ist noch kein ganzes Leid, man muß sehen
was draus wird. Geduldig in Trübsal! Das überredet auch, der Zeit
Zeit zu lassen. Vieles muß getan werden, aber das stärkste Tun
kann das Lassen sein. Laßt uns der rechten Zeit nicht im Weg stehen
mit Hektik und Aufschieben. Du, setz darauf, dass du geführt bist, aber
dein Können ist Bestandteil der Situation. Schöpf sie aus.
Und wisse, auch die Andern sind von guten
Kräften geführt. Wenn du meinst, du musst eingreifen, dann musst
du eingreifen; wenn nicht sicher, dann laß es eher. Statt "aus Ungeduld
Lärm anzurichten" (M. Luther), hoffe auf heilende Erfahrung, die dann
einen Entschluß reifen lässt.
Wir sind ja ungeduldig, weil wir meinen, Geduld
bremse unsere Initaiative, - dabei: Geduld und Beharrlickeit steigern doch
die Unternehmungskraft.
Unter allem, was Dinge endet und Dinge
anfängt: nichts Herrlicheres als das Stillehalten - so der Taoismus,
Ignoriere jeglichen Zeitdruck, bleibe höflich räche dich nicht,
behandle den Schurken weiter als Freund und Förderer, bis er entnervt
einlenkt, so Stan Nadolny. Wir müssen lernen, auch Verpflichtungen und
Gebundenheit anzunehmen. Widerstand und Ergebung haben ihre Zeit.
Und haltet fest am Gebet, haltet euch fest am
Gebet, dass uns gegeben werde, fröhlich zu sein und geduldig. Daß
wir Erfahrungen machen und daraus uns Gedanken machen, uns darüber
austauschen. Wir sind nicht welche von der Ich-AG nicht Solisten
des Lebens, sondern sind vernetzt und auch verstrickt aber auch mit Platz
zu handeln, sollen nicht gebannt vom Rückblick Opfer bleiben.
Gebet hilft gegen die Öde - betend spüren
wir dass unsere Wurzeln in die Tiefe ragen und ein Wasser erreichen, das
ins ewige Leben fließt, das erquickt, das uns fühlen lässt,
wir gehören zu einem Guten Ganzen. Betend spannt unsere Seele die
Flügel aus. Du redest mit der Kraft, die dich trägt, fröhlich
in Hoffnung, geduldig in Mühen. Amen.