Keitumer Predigten Traugott
Giesen 02.06.2002
Die Erschaffung Adams
Der Geist Gottes hat uns gemacht und der Atem
des Allmächtigen hat mir, dir das Leben gegeben... Siehe vor Gott bin
ich wie du, aus Erde bin auch ich gemacht. (Hiob 33,4.6)
1.Mose 2,4b-8
Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die
Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut
auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht
regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber
ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott
der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens
in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. Und Gott der
HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen
hinein, den er gemacht hatte.
Es gab ein religiöses Genie um 1000 vor Christus am Hof des Königs
Salomo. Keiner weiß etwas Persönliches von ihm, Wissenschaftler
nennen ihn den "Jahvisten", denn nur eine Spur hat er in der Bibel hinterlassen:
Er verwendete den Gottes-Namen "Jahve" - zu Deutsch: "Ich bin für euch
da", im Unterschied zu Elohim "Götter " oder "Zebaoth" - Herr der
himmlischen Heerscharen, zum Beispiel. Die verschiedenen Namen sind wie
Flüsse, die zusammenfließen zum Meer namens Gott - viele verschiedene
Erfahrungen mit dem Heiligen mussten erst zusammenfinden, um vom Gott der
biblischen Erfahrung sprechen zu können. Durch Jesus ist uns ja das
Wort "Vater" aufgeschlossen worden und der Titel: "Der von den Toten auferweckt".
Aber der Name Jahve, - anders vokalisiert: Jehova - zu Deutsch: "Der ich
für euch da sein werde", - dieser ganz eigene Eigenname für das
Heilige taucht in biblischen Schriften vor 3000 Jahren auf und wird bestimmend:
die bestimmenden Erfahrungen mit dem "Höchsten" sind überliefert
als mit Jahve geschehen: die Geschichten von Abraham und Isaak und Jakob,
von Mose und dem Volk Israel auf den Weg ins Gelobte Land.
Für diese Heilsgeschichte hat der Jahvist
einen Sockel gedichtet, eine Vorgeschichte, eine Urgeschichte, die den Platz
bereitet für das eigentliche Rettungswerk Gottes, das dann aus der Sicht
Israels und der Christen mit Abraham anfängt: die Rettung des Menschen
aus der Angst durch den Glauben. Aber gerade diese Sockelgeschichten, nur
9 Buchseiten Umfang, haben unser Menschenbild bis heute begründet. Was
wir von uns halten, zu halten haben, das ist in den wenigen Grundbildern
der ersten Bibelseiten uns eingebrannt.
Die Grundmuster der Menschheit sind ablesbar an den Geschichten von der
Erschaffung Adams und Evas, vom Paradies, vom Sündenfall; Kain und Abel
und der erste Mord, die Sintflut, die Rettung des Noah und der Tiere und
der Turmbau zu Babel, die Verwirrung des menschlichen Verstehens. Das sind
die Schaniergeschichten der Menschheit, in ihren Angeln hängen die
Geheimnisse des Menschseins: dass wir berufen sind zu Gottes Gegenüber.
Aber wir mißtrauen, wir ängsten uns, überheben uns, werden
schuldig darin und brauchen Erlösung.
Natürlich sind diese Grunderfahrungen der
Menschheit in allen Völkern ähnlich gemacht worden, - und darum
sind auch die Urgeschichten so wahr, ganz ohne historische Ausgrabungsbelege,
genommen vom Erzählgut der Menschheit: Gott formt zur Erschaffung des
Menschen Erde vom Acker, eine Schlange spricht mit Mutter Eva, etwas
Unerklärliches gibt zu bedenken, läßt naschen und versuchen,
typisch: die Tochter Gottes argwöhnt, Gott könne ihr was vorenthalten,
das kann er doch seiner geliebten Tochter nicht antun, - während der
Mann seine Feldarbeit tut, um Respekt und Nahrung zu erarbeiten, macht Eva
ein Spielchen mit dem Vater, wie es denn nun gemeint sei, sein Wort, und
wofür die schönen Äpfel denn da seien, wenn nicht zum Genusse.
Und der Mann - typisch: sie gab ihm, und er aß. Typisch auch für
Brüder, Kain und Abel, dass sie sich zerfleischen vor Ehrgeiz. Und Sintflut:
das Überleben der Menschheit hängt immer am seidenen Faden, immer
kann alles untergehen. Und Turmbau zu Babel: Herrschen-Wollen macht Streit,
aber Verstehen aus Vertrauen ist ein Wunder vom Heiligem Geist.
Heute also ein Urbild:
Die Erschaffung Adams - nach der Übersetzung von Eugen Drewermann: Vor
dem Tage, da Gott Himmel und Erde machte, war nichts da. Auch allerlei
Gesträuch und Kraut des Feldes war noch nicht da, denn Gott hatte noch
nicht regnen lassen und ein Mensch - auf hebräisch: Adam war noch nicht,
zu bedienen den Acker (auf hebräisch: adamah). Aber endlich, - ein Nebel
stieg auf und tränkte die Erde. Da bildete Gott den Menschen aus Erde
vom Acker und hauchte in seine Nase den Atem des Lebens. So wurde der Mensch
zu einem lebendigen Wesen. Und Gott pflanzte einen Garten in Eden und stellte
dort den Menschen hinein.
Diese Art Schöpfungsgeschichte geht von unserem Alltagsdenken aus: wie
alles einmal noch nicht da war und wie zufällig alles da zu sein scheint.
Wie erstaunlich, dass wir uns wiederfanden heute morgen, uns noch vorfanden,
hier, bald werden wir nicht mehr hier sein. Welch ein Wunder, zu leben, du,
ich; es war ja ganz lange so, dass wir nicht da waren, und doch auch keinem
zu fehlen schienen. Haben wir denn kommen müssen? Wer hat uns denn gewollt,
gedacht, entworfen? Und die Bäume, die Tiere, die anderen Menschen -
alles auf der Erde lässt sich wegdenken. Es war eine Zeit, da waren
sie noch nicht. So fängt die Schöpfungsgeschichte des Jahvisten
an: es war eine Zeit, da waren noch keine Sträucher und kein Acker und
keine Erde und keine Sonne und kein Weltraum.
Es war mal nicht, es wird mal nicht mehr sein.
Muß überhaupt etwas sein? Das kann einen schaudern machen, dies
Beiläufige des Daseins, dies: beinahe wäre nichts.
Schon die Ansicht des leeren Mondes macht uns so dankbar ob der Fülle,
gerade jetzt im Juni, die Lämmer, der Flieder, die Ringelgänse,
und Kinder - eine neue Generation, die eben noch nicht da war. Und auch jetzt
nicht notwendig da ist. Was haben wir denn für Sachen, die schon vor
uns da waren: einen Ring von Mutter, einen Schreibtisch vom Vater, - das
ist das Sensationelle an St. Severin: Sie war schon immer da - wohl 25
Generationen. Aber auch St. Severin war mal nicht da, auch Sylt war mal nicht
da, und auch das Meer, die Berge waren nicht immer da. Einzig Gott muß
immer da gewesen sein. "Mit der Gottheit verbindet sich die Vorstellung einer
Wirklichkeit, die es einfach geben muß, weil sie der Grund von allem
ist, was es gibt" (Eugen Drewermann). Als eherne Gewissheit heißt das
so:
"Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge
wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du Gott von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: kommt
wieder, Menschenkinder!..." (Psalm90).-
Die ersten paar Sätze des alten Schöpfungsberichts haben auch dieses
Aufatmen. Endlich, endlich. Beinahe wäre Nichts und Leere geblieben.
Dieses große Beglücktsein, wie nach turbulentem Flug, und die
Maschine ist heil gelandet, - man darf leben, - dieses glückselige Aufatmen
angesichts des fruchtbaren Bodens - wo soviel Wüste ringsum ist, lässt
den Jahvisten sagen: ja, Gott hat regnen lassen; Jetzt geht was los: Tier,
Pflanzen, Bäume - schon ist Natur die Fülle, aber noch keiner,
den Acker zu bestellen.-
Gott sei Dank ist Gott, der Unbedingte. Alles andere ist ja bedingt, ist
nur unter der Bedingung, dass es ins Leben gerufen sei. Aber ist einer da,
der ruft und siehe, es steht da? Ist einer, der gebietet: "Es werde Licht"
und es ist Licht? Ja, "die Zeit ist aus der Ewigkeit gemacht, die Materie
aus Licht" (ein seltsam Einsteinischer Gedanke). Das Universum ist zeitlich,
Gott dagegen nicht. Der Raum ist begrenzt, nicht aber die "Jenseitigkeit",
welche Gott ist. Gott hat in einem Akt reiner Freiheit und
Großzügigkeit geschaffen, auf dass seine "Ideen" eigene Substanz
annehmen konnten (Georg Steiner). Auch du, ich aus Großzügigkeit
geschaffen, er rief dich ins Leben, ein Paar zeugte dich, brachten zur Welt
dich, brachten dich durch, weil es das sollte. Die Erde ohne dich, - ein
schrecklicher Gedanke, die Erde ohne Menschheit - die fahle Leere. Es war
eine Zeit, da war schon Erde, aber kein Erdling , der den Boden bestellte.
Erde-Erdling - das ist die richtige Übersetzung von Adam, adama - der
Erdling genommen von Erde. Staub, rote Erde, Lehm, Krume-Material, das
herumliegt, Kohlenwasserstoffe und Mineralien, Kalk, chemisch
verschlüssselt in Gene, ein Lehmkloß, auf Zeit nur, mit Verfallsdatum,
wann er wieder zur Erde wird, ob Erde oder Materie in anderer Form, Tiere,
wie wir seit Darwin wissen, ist wirklich egal.
Aber schon mit Aufwand geformt. Eines eigenen
Schöpferakt bedurfte es. Den Menschen rollt Gott nicht aus der Hand,
schüttelt ihn nicht aus dem Ärmel, wie die sonstige Kreatur im
großen gebieterischen Wurf. Sondern Gott kniet sich in den Boden und
knetet und formt den Urtyp Mensch. Das als Bild erzählt die Hingabe
Gottes an seine liebste Kreatur. Er formte wie ein Töpfer, und es scheint
doch, als forme Gott mit den Augen der Frau den Mann. Und mit den Augen des
Mannes die Frau. Das ist doch seine Idee: Mann - Frau. Weil Gott in sich
die Gegensätze trägt und die Harmonie ist, er der/die/das Ganze.
Sein Gegenüber aber muß im Gegenüber leben, ist paarfähig
gedacht, also formte Gott. Nun nicht notwendigerweise einen Modellmenschen,
sondern formte mittels Gedanken, - formte, indem er erzog, zog aus dem Boden
der Materie, zog aus den Genen und züchtete und entwarf sich seine
Menschheit, - ja mittels seines Atems.
Das Irdische, Zeitliche, Vergängliche, Natürliche trägt seinen
Atem in sich. Atem und Seele ist im Hebräischen ein Wort: Das, was den
Lehmkloß beseelt, ist ihm von Gott eingeblasen.-
Diese fürsorgliche, zarte, inbrünstige Geste, dies Beleben mit
dem Gottesodem - noch stärker für meine Begriffe als die
Berührung von Handkuppe zu Handkuppe in Michelangelos Schöpfungsbild.
Dieses Beatmet- und Beseeltwerden, wie es die Liebenden einander antun
dürfen, bewirkt an ihnen die Erweckung zum Menschsein, es ist ein
Auferwecken, ein Atemgeben hin und her. Das Material ist irden, von dem wir
genommen, aber schon die Form, das Geformtsein, ist ziemlich schön,
und das Lebendige, das Atmen ist was Geistvolles. Man kann das Atemgeben
auch übersetzen; und Gott gab ihm eine lebendige Seele, - etwas, das
Ich sagt, das von sich selbst weiß, das mit Lebensmut ausgerüstet
ist, ein jeder nach seiner Art.
Sicher bestehen wir körperlich zu Neunzehntel
aus Allgemeinheit, eben dem Naturstoff, aber schon die eigene Form, das eigene
Gesicht, erst recht die eigene Seele macht dich, mich zum Ich. Und weil wir
zum eigenen Ich berufen sind, wollen wir erkannt werden, wollen wir geliebt
sein, wollen wahrgenommen werden als eigener Mensch.
Gott ließ geschehen, irgendwann. Wir bedürfen des Anfangs, der
Geist bedarf dieser Gewissheit, dass Gott angefangen hat, ins Sein zu rufen
- und noch uns hier sein lässt, und uns in seinen unsichtbaren
Schöpferhänden hält.
Schlußgebet