Keitumer Predigten Traugott
Giesen 21.04.2002
Isaaks Opferung 2. Teil
Hochdramatisch schwingt in uns die
Frage: Warum lässt Gott das Leid zu, warum passiert das und das gerade
mir? Was will Gott mir damit sagen? Will er mich prüfen?
Aber Leid ist Mangel, Leid ist nicht Strafe, Leid ist auch kein Prüfmittel
zur Bewährung.
Und doch erzählen zwei große Geschichten
der Bibel, dass Gott die Menschen prüfe mittels Leid: Einmal die
Rahmenhandlung von Hiob; eine Teufelsfigur darf da Hiob quälen. Aber
Hiob glaubt nicht an einen Gott, der die Menschen erst prüfen müsste,
um sie zu kennen; er ruft seinen Erlöser zu Hilfe gegen die Dämonen
in
seinem Inneren.
Die schärfste Geschichte von einer mutmaßlichen Versuchung ist
die von Isaaks Opferung. Aber diese Geschichte erzählt gerade nicht
Isaaks Opferung, sondern sie beschreibt eine wunderbare Schwelle in der
Menschheitsgeschichte: Das Menschenopfer wird vom Gott Abrahams abgelöst
durch ein dargebrachtes Tier. Damit wäre die Geschichte passé,
als Wendemarke vom Menschen- zum Tieropfer ist sie Historie. Doch sie greift
noch immer ans Herz. Sie erzählt von einem Helden der Menschheit. Sie
gibt frischen Nährstoff für unsere Seelen. Als Beispiel für
starken Glauben ist sie atemberaubend gültig.
Der große dänische Religionsphilosoph
Sören Kierkegaard schrieb im Jahr 1843 eine Lobrede auf Vater Abraham.
Sie ist sehr intensiv. Hört ihr ein Stück zu:
"Wenn kein ewiges Bewußtsein wäre im Menschen, wenn allem nichts
als eine wild gärende Macht zugrunde läge, die in dunklen
Leidenschaften sich windend,alles hervorbrächte, was groß ist
und was gering ist; wenn eine abgründige Leerheit, nimmer zu sättigen,
sich unter allem verbärge, - was wäre dann das Leben anders als
Verzweiflung? Wenn es so wäre, wenn es kein heiliges Band gäbe,
welches die Menschheit verknüpfte, wenn ein Geschlecht nach dem andern
(nur) erstünde wie Blätter im Walde, wenn das eine Geschlecht das
andere ablöste (nur) wie Sang der Vögel, ja, wenn das
Menschengeschlecht über die Erde ginge, wie das Schiff über das
Meer geht, wie der Sturm über die Einöde, ein gedankenloses und
fruchtloses Tun und Treiben, wenn ein ewiges Vergessen allezeit hungrig auf
Beute lauerte und es keine Macht gäbe, stark genug, sie ihm zu
entreißen - wie leer wäre dann das Leben, wie trostlos.
Aber darum ist es auch nicht so. Gleichwie Gott Mann und Frau erschuf, bildete
er den Helden und den Dichter oder Redner. Denn... keiner soll vergessen
sein, der groß gewesen in der Welt; und jeder ist groß auf seine
eigene Weise, jeder ist es nach dem Maß, der Größe, die
er liebt... Jeder soll sein Gedenken finden, aber jeder wird groß nach
dem Maß dessen, das er erwartet... Jeder soll sein Gedenken finden,
aber jeder ist groß ganz nach dem Maß der Größe, mit
der er streitet... Liebt einer Gott, erwartet einer Gott, streitet einer
mit Gott, ist er größer als alle...
Darum ist von Abraham die Rede bis heute. Abraham liebt Gott, erwartet ihn,
streitet mit ihm, darum ist Abraham größer als andere Menschen.
Durch den Glauben wanderte Abraham aus seiner Väter Land und ward ein
Fremdling im Land der Verheißung... Zurück ließ er seinen
Verstand, den Glauben nahm er mit... er ließ zurück, was ihn erinnerte
an das, was ihm lieb war. Alles versuchte er mit der Neuheit seiner Seele
zu wehmütigem Sehnen; er, Gottes Auserwählter, an dem er Wohlgefallen
hatte....Durch den Glauben empfing Abraham die Verheißung, dass in
seinen Nachkommen gesegnet sein sollten, alle Geschlechter auf Erden....
Es dauerte, die Zeiten vergingen. Doch, von
Abraham haben wir kein Trauerlied. Er zählte nicht wehmütig die
Tage, sah nicht mit argwöhnischem Blick auf Sara, er hieß nicht
die Sonne stille stehen, damit Sara nicht grau werde. Abraham ward alt und
Sara des Landes Spott, und doch war er Gottes Auserwählter, Erbe der
Verheißung, dass in seinem Samen gesegnet sei die ganze Menschheit.
Und Kierkegaard fragt: "Wäre es dann nicht besser gewesen, nicht Gottes
Auserwählter zu sein?" Die Mühen, die Verzichte, alles verlassen,
dem Glauben der Heimat abtrünnig werden, wo man dem Mond glaubte, ihn
als Abbild der Hirtengötter sah, die jedes Jahr wiederkehren ließen
die Fruchtbarkeit der Felder und der Herde. Er verließ einen Mondgott
von Haran, und alle lachten ihn aus, wie sie Noah verlachten, der tief im
Lande, weit weg vom Wasser ein Riesenschiff baute. Abraham mit Frau Sara
machte sich auf den Weg, und wusste nicht wohin, wusste nur, wer ihm vorausgehe:
der Gott, der's ihm schon zeigen werde, wo es lang geht, der Gott, der anbahnt
die Zukunft. Die soll gesegnet sein durch ein großes Volk, das von
Abraham und Sara abstammt.
Doch jedes Volk beginnt mit einem Kind, mit
zumindest einem, dem ersten. Das eben ließ auf sich sehr warten und
leicht hätte Abraham zu Gott sagen können: "So ist es doch wohl
dein Wille nicht, dass es geschehen soll, so will ich denn den Wunsch aufgeben;
er war mein Ein und Alles, meine Seligkeit. Hätte Abraham verzichtet,
er würde nicht vergessen sein, er würde ein Vorbild für Loslassen
von Wünschen sein... Aber Vater des Glaubens wäre er nicht geworden.
Denn es ist groß, seinen Wunsch aufzugeben, doch es ist größer,
ihn festzuhalten, nachdem man ihn aufgegeben hat." So Kierkegaard. Und
weiter: Aber Abraham glaubte, darum ist er jung gewesen. Gepriesen sei
Sara, wiewohl schon betagt, war jung genug die Freuden der Mutterschaft zu
begehren und Abraham, der Graukopf war jung genug für den Wunsch, Vater
zu sein. Der Glaube hat ihnen das Wünschen erhalten, Sara war Braut
zu der Goldhochzeit Tag. So Kierkegaard.
Das Kind ward geboren, das erste Bindeglied hin zum Volk der Verheißung
ersproßte. Doch die Bedrohung der Verheißung blieb, wie jedes
Kind durch Schicksal gefährdet bleibt. Und darüber hinaus ist dieses
Kind bedroht durch den Vater, der sich bedrängt sieht durch Gott.
An Jesus geschult ist uns das unfassbar: Gott
kann keinen Mord verlangen, dazu noch am eigenen Kind. Selbst wenn er nur
Abrahams Gehorsam hätte prüfen wollen, oder sein Vertrauen - es
wäre sadistisch. Und wenn ein solcher Befehl dir oder deinem Volk ins
Hirn fährt, ist das nicht Gottes Wille, das wissen wir, nach Hitler
hoffentlich für allezeit. Und was war mit Jesu Tod, wollte den der Vater?
"Mein Vater - wenn dieser Kelch an mir nicht vorüber gehen kann, ohne
dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille"(Matthäus 26,42)! Gott wollte
nicht Jesu Tod am Kreuz, auch nicht den Tod des Barrabas. Du sollst nicht
töten! - gilt doch. Aber Menschen gehen über Gottes Gebot hinweg.
Jesus mußte sterben, weil die Herrschenden ihn loswerden wollten,
vielleicht auch nur, weil Kaiphas nicht wusste, wie er sonst das Volk ruhig
halten konnte. Jesus weiß, er muß seinen Weg als Zeuge Gottes
gehen bis in den Tod.
Kann da eine Ähnlichkeit bei Abraham und Jesus sein? Auch Abraham
weiß, er muß seinen Weg als Zeuge Gottes gehen, auch wenn Gott
ihm verdunkelt ist bis ins Grauen; Jesus weiß, ich bleibe bei Gott.
Und Abraham weiß: Gott ersieht sich, was kommt.
Jedenfalls kein Opfer ist nötig, um Gott
gnädig zu stellen, weder das Opfer des Gottessohnes, noch des Abrahamsohnes.
Auch verlangt Gott nicht das Opfer deines Glückes, du musst dir Gottes
Gunst nicht verdienen; Gott liebt dich. Aber es kann sein, dass er mich,
dich braucht auf Kosten unseres persönlichen Glückes.- Jeder
Feuerwehrmann muß retten - das ist seine Berufung; auch retten unter
Einsatz seines Lebens. Auch Vater, Mutter springen ihrem ertrinkenden Kind
hinterher, unter Gefahr fürs eigene Leben. Wer befiehlt das? Gott? Gott
befiehlt es indirekt, weil es so eingerichtet ist, dass dein persönliches
Glück nur
gelingen kann bei Rettung des Kindes.
Wie Gott dir, mir das Wunschradar ordnet, dir, mir Verheißung zu Herzen
bringt, ist sein Geheimnis. Es kann sein, dass du, ich in Situationen
geführt werden, da kommen wir nicht ohne Schuld durch. Da müssen
wir durch und können nur hoffen, Gott sieht, Gott ersieht sich eine
Rettung. Auch Jesus: Er sieht sich ans Kreuz gehängt, die es tun, wissen
nicht was sie tun. Jesus vertraut: Gott rechne meine Unschuld ihrer Schuld
zugute, Gott ersieh sich einen Sinn dafür. So auch Abraham: Ich verstehe
dich nicht. Aber Gott ersieht den Ausgang. Abraham glaubt Gott, dass er der
Liebe die Zukunft ausbreitet - Segen der ganzen Menschheit stiftet, durch
das, was Gott jetzt mit Abraham tut. Auch wenn es das Gegenteil zu sein scheint.
Abraham hört nicht auf, an Gott zu hängen, auch wenn er durch Leid
geschleift wird. Abraham glaubt an seine Berufung durch Gott, Vater der
Völker zu werden, auch wenn ihm zugemutet wird, seinen Sohn von sich
zu stoßen. Er glaubt an Gott den Geber, auch wenn er die Gabe
zurückgeben muß.
Abraham lässt los und bekommt wieder. Nicht dass Gott ihn für seinen
Gehorsam belohne, aber das gottvolle Leben belohnt die nicht klammern. Frei
gelassene Kinder kommen wieder. Und ein Leben, das zurück will in die
Hände, die es gab, macht neuem Leben den Platz frei. "Die Liebe kommt
in neuen Kleidern wieder", die Vorsehung ersieht sich eine gute Fortsetzung.
Abraham glaubt Gott als den Guten Ganzen, auch wenn die Realitäten gegen
Gott sprechen. Das macht Abraham zum Vater des Glaubens für das ewige
Bewusstsein im Menschen. Eine Scheibe seines Glaubens wollen wir uns abschneiden.
Amen
(S. Kierkegaard: Furcht und Zittern; Eugen
Drewermann: Ich lasse Dich nicht. )