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Keitumer Predigten   Traugott Giesen   13.01.2002

Moses Berufung

Wie Gott für uns da ist, für dich und mich, und wozu er dich, mich braucht, das ist die Frage überhaupt.

Bibeltext: 2. Mose,3

Mose aber hütete die Schafe Jetros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Und der HERR sprach: Das Geschrei der Israeliten ist vor mich gekommen, ich habe ihre Not gesehen, wie die Ägypter sie bedrängen, so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst. Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Er sprach: Ich will mit dir sein. Mose sprach zu Gott: Wer, Ich? Sie werden mich fragen, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, werden sie mir sagen: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Gott sprach zu Mose: Ich werde für euch da sein, der ich da sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: "Ich werde für euch da sein sein, wie ich für euch da sein werde", der hat mich zu euch gesandt.

Eben wurden wir Zeuge, wie zwei Politiker ihre Berufung aushandelten. Ob wohl Frau Merkel vor ihrer Berufung davongelaufen ist, oder verdrängt wurde, oder beides? Letzten Sonntag sprachen wir hier von Jona - der wollte auch seiner Berufung entrinnen. Ein Wal, etwas Ungeheures brachte ihn auf den richtigen Weg.

Geht's Ihnen auch so?- Ich kann mich nicht satthören an Geschichten, wie Menschen in ihre Berufung hineinwachsen und sie wurden, was sie sind. Vielleicht interessiere ich mich für das schillernde oder verblassende oder leuchtende Werden einer Person ja, weil dahinter ich mich suche, vielleicht braucht mein Werden einen Wachstums-Schub, oder ich fürchte einen Ruck nach vorn, eine Häutung? Beim Zuschauen oder Mitlesen von Lebensläufen sind wir ja beteiligt, gehen in den Schuhen der Hauptdarsteller mit, oder, wenn die Person uns nicht an sich binden kann, suchen neue Gesichter und Schicksale.

Am meisten prägten uns unsere Eltern. Gut, wenn sie ihre Kinder nicht zu kleinen Ausgaben ihrerselbst erzogen. Sagte der Junge: Vater, ich möchte werden wie du. Sagt der kluge Vater: Werde nicht Heinrich der Zweite, sondern Dirk der Erste, werde Du.
Dazu braucht man andere Vorbilder, und eins der großen Leitbilder der Menschheit ist Mose. Mose hatte das Volk Israel aus der Knechtschaft Ägyptens, aus den Frondiensten des Pyramidenbaus beim Pharao befreit. Und er hat die Gebote von Gott empfangen. Er hat uns nach oder neben Jesus das stärkste Gotteswissen mitgegeben. Allein die Formulierung des 1. Gebotes ist beglückend voll Gottesahnung, nicht auszuloten, dies erste Gebot: "Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst habe, du sollst nicht haben andere Götter neben mir" (2. Mose 20,1). Lange nach dem Tod des Mose, lange nach dem Einzug Israels ins gelobte Land Kanaan verklärte sich das Bild des Mose ins Himmlische. Aus ehrfürchtigem Abstand hieß es, Gott habe mit Mose gesprochen "von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mensch mit einem Freund redet" (5. Mose 33,11), - auch nahm man an, Gott selbst habe ihn begraben, "und keiner hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag" (5. Mose 34,5).

Immer und immer wieder bedachte man seine Anfänge, wobei die Geschichte vom kleinen Mose im Schilfkörbchen eine Übertragung ist von einer ägyptischen Heldensage. Israel bedachte sehr, wie Mose wohl zu seiner Berufung gefunden habe. Die muß Gott ganz bewusst betrieben haben. Denn am Anfang stand ein Schafhirte in der Wüste, ein Knecht eben, der zu essen bekam von seinem Schwiegervater, mehr nicht - wie musste da Mose erst aufgebaut und umgeschmolzen werden. Gott muß selbst der Lehrer gewesen sein, der den Schafhirten zum Volkslenker erzog.
Und das beginnt mit einer Erscheinung in der Wüste, bei seiner Arbeit. Ein nicht enden wollendes Feuer lodert. Ein Dornbusch, fast das einzig Brauchbare in der Wüste, brennt und brennt und verzehrt sich doch nicht. Darf, soll Mose sich darin wiedererkennen?
Ich denke, Mose bekommt darin seine Berufung vor Augen gestellt. Ist das Material auch wenig, wenn Gott es benutzt, dann kann daraus die Fülle werden. Du Mose darfst an die Kraftquelle in dir glauben: Ein Leuchten ist in dir, das nie vergeht. Also Gott selber.-
Der unverbrennbare leuchtende Busch, - ein Bild für den vollständigen Gott, das Feuer des Lebens, und ein Bild für den befeuerten Diener Gottes.

Gott sieht, heißt es, dass Mose hingeht, um zu sehen, und spricht... Das ist wohl die stärkste Stärkung unseres Selbstbewußtseins, die uns geschehen kann: Wissen, dass Gott mich sieht, nicht observiert, nicht kontrolliert, sondern er hat Interesse an mir, er geht Umwege für mich, nimmt mich wahr, weiß mich mit Namen, hört zu, fühlt mit, hat Mitgefühl mit mir - ich habe Ansehen bei ihm.
Das ist meine Berufung zuallererst, ich soll wissen, du Gott kennst mich, ich bin von dir gesehen, das ist mein Licht. Das soll meine, deine Würde sein: Von Gott werden wir gesehen.-

Dies soll Grund meines Denkens sein: Gott sieht nicht alles, sondern dich, ist mit dir beschäftigt. Das kann einem die Schuhe ausziehen. Moses hört die Stimme: Zieh deine Schuhe aus; hier ist heiliges Land. Sicher auch ist das Ausziehen der Schuhe eine Demutsgeste, - du kommst nicht gewappnet, sondern nackt, vertraust dich an wie du bist. Und ohne Schuhe hast du mehr Verbindung zum Heiligen.
Also Mose nimm deine Kraft aus diesem Boden, worauf dies geschieht, wo du die Stimme des Ewigen hörst. Mose bekommt einen Auftrag, wegweisend für die Menschheit: Führe aus der Knechtschaft, befreie vom Knechten. Was Gottes erstem Volk zusteht, ist dem Wesen der Menschheit zueigen, auch dem Moses. Aber die Menschen in die Freiheit führen, vorbildhaft das in Ägypten geschundene Völkchen Israel, ist eine nicht endende Arbeit. Mose kann nicht mit ins Gelobte Land, auch weil die Wanderung von Ägypten nach Israel Jahrhunderte dauerte, - und auch heute noch nicht vollendet ist, denn sie ist erst vollendet, wenn die Freiheit geteilt ist mit allen.

Viel Gottvertrauen braucht ein Mensch, um sich unter solch einen Auftrag gestellt zu sehen. Aber Kindern Eltern sein, ist auch Auftrag genug und eine Klasse zu leiten oder Mitarbeiter zu führen oder das eigene Leben nicht in den Sand zu setzen. Jeder Tag ist doch eine neue Berufung. Darum auch unser Mitfühlen mit Mose. Mose läßt es sich sagen: wie der Dornbusch - irgendein Busch - zum Träger von Gottes Feuer werden kann, so Mose der Täter der Befreiung Gottes. Seine Unzulänglichkeit hat nicht das Sagen, sein Sprachfehler ist kein Grund dagegen.
Aber verbrennt der Mensch nicht unter dem Auftrag? Für euch große Ziele ist der arme Mensch zu klein, könnten wir jammern. Doch ist es Sache des Dornbuschs, sich zu sorgen, Asche zu werden? Ist es Sache des Menschen, sich in Sicherheit zu bringen, für sich selbst sich zu bewahren? Unsere Sache ist: Mich drangeben an Gottes Auftrag, wissen, dass er sieht, - mehr haben wir nicht.

Und wie ist sein Name? Seine Rolle ist Vater, mütterlicher Grund, Schöpfer, Befreier, Maßgeber, Erlöser. Aber wie sein Name? Jahve, oder Jachwe - auf Hebräisch: "Ich werde sein, der ich für euch da sein werde", ja und dann: "Das bin ich, der für euch da ist!" Eigenartig wunderbar, das hebräische "Jesus" (Joschua) übersetzt ähnlich: "Gott rettet".

Gott - Du für mich da! Über die Allmacht lassen sich keine passenden Worte machen; sie gleiten ab, wie die Messerspitze von der Glaskugel. Aber du kannst ihm sagen, wie er zu dir war und immer anders. Und ich kann es zu ihm sagen. Ja, so warst du für mich da, in meinem Leben: Nährend, hegend, streichelnd, lehrend, fordernd, schmerzend, rettend, dämpfend, stärkend, nehmend, gebend, trennend, erschreckend, tröstend, die Wahl lassend, Freiheit einräumend. Du stelltest meine Füße auf weiten Raum - Du warst mir Raumeröffner - immer und immer anders. Auch durch Angst hindurch, durch Krankheiten, auch durch Hochmut hindurch, der seine Strafe fand, auch durch Entsetzen hindurch, wo du unkenntlich warst, - aber dahinter, hinterher tat sich Raum auf, und auch im Tod - Du dabei, Du für uns da, - Du wirst uns Raum eröffnen.

Gott für uns da - raumöffnend - Wozu sind wir dann berufen, du, ich? Doch Gott zu helfen, Raum zu eröffnen, Dach überm Kopf, Freiraum, Chancenraum, Essen, Wissen, Können, Arbeit einräumen, Raum für Würde, die Wahl zu haben. Mose stößt auf ein Wunder. Er wird berufen zum Knecht Gottes. Unermesslich die Aufgabe, er traut sich nicht. Gott verbürgt sich, mit ihm zu sein. Für ihn da sein, ist sein Wesen.

Aber wie ist Gott jetzt für dich da ? Und zu was braucht er dich? Dies erfahren ist Leben. Nimm dies Gehörte als Sog in die Zukunft. Der Gott der Zukunft reizt unsere Gegenwart, dass wir uns regen nach vorn. Hoffnung und Auftrag machen uns rege und alles drum herum. "Ich sagte zum Mandelbaum: Erzähl mir von Gott. Und er blühte" (aus China). Amen.

Schlußgebet


 




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