Keitumer Predigten Traugott
Giesen Heiligabend 24.12.2001
Euch ist heute der Heiland geboren
Eigenartig, dass wir wieder da sind, wieder
wollen wir die Sprossen der Himmelsleiter fassen, die Weihe dieser Nacht
spüren. Ja, sie ist uns geweiht, uns gewidmet, diese Nacht, diese Geburt.
Es kam der wohl wichtigste Mensch zur Welt, der allen Menschen ihr Wichtig-Sein
beschafft hat. Geboren der "Sohn Gottes" - das ist kein Märchen in
Himmelssphären. Wir bekommen so unseren Rang bescheinigt; unsere Würde
wird geklärt. Wir bekommen Gottesverwandtschaft verbürgt, was letztlich
tief ins Irdische reicht und Basis der Menschenrechte ist.
"Sohn Gottes", das klingt, als sei ein Stern
geboren, und wir seien alle geblendet. Aber es ist anders: Jesus teilt sein
Leuchten mit uns. In den Krippendarstellungen der alten Meister liegt das
Kind im Strahlenkranz und wirft Licht auf die umgebenden Hirten. Durch Jesu
Licht bekommen die Schauenden ihr Antlitz. Gottes Sohn nennt uns Seinesgleichen,
hebt uns zu sich auf eine Stufe, macht uns zu Kindern Gottes, rückt
uns ganz nah an Gott ran, wie Eltern und Kinder, macht uns auch verantwortlich,
anderen Recht zu beschaffen. So ist heute nicht ein schöner Familientag
zuerst, nicht Geschenketag zuerst, nicht Geburtstag des Kirchengründers.
Sondern mit Jesus ist der erste freie Mensch geboren. Und wir feiern die
Menschlichkeit, die mit Christus in die Welt gekommen ist. Wir sind mit Gott
verwandt, - es ist das Menschenglück überhaupt, Mensch sein zu
dürfen nach Jesu Maß.
Ohne Jesus, rein biologisch genommen, scheinen
wir nur Früchte der Natur zu sein, nur Sachen, zählbar in
Stücken, wie Bäume, angstbesessen wie Eichhörnchen. Dagegen
ist es schon viel heilige Erkenntnis, dass das alte Ägypten einige Menschen
ausgerufen hat zu Gottesvertretern hier; edel auch die Griechen, die von
Denkern viel hielten. Aber immer blieb das Heer von Sklaven. Israel hat dann
den Menschen nach Gottes Bild gewusst, aber nur dem Gebots-Gehorsamen Gottes
Treue versprochen. Andere Religionen erheben die Menschheit durch Versinken
in Ehrfurcht, wieder andere halten uns für vom Schicksal schwer bestraft,
da ist Nicht-Sein Erlösung.- Und die Religion des Marktes heißt:
Du Mensch bist völlig antiquiert, putz dich auf mit Glanz der
Technik.
Vielleicht brauchte es wirklich Engel, um die
Sensation des Jesus auszuposaunen: Euch ist heute der Heiland geboren. Der
ruft Liebe für den Sinn der Welt aus, offenbart Gott als "einen
glühenden Backofen voll Liebe" M.Luther). Liebe und Vertrauen ist
die Kraft, mit der wir das Leben bestehen können. Darum steht im
christlichen Glauben ein Kind im Mittelpunkt. Kinder haben dieses
Gott-und-Welt-Vertrauen. Wenn sie nicht Zerstörerisches früh erleben,
dann haben sie dies sanftes Wissen: die Welt ist gut, und die Menschen
können einander erfreuen, und ein Bonbon geteilt, wird Mutter
trösten.
Jesus kommt in einem Futtertrog zur Welt, im
Stall, bei den Tieren. Nicht im Palast, der gesichert wird mit Waffen und
Soldaten, damit die Hungernden nicht plündern. Jesus macht keinem Angst;
er teilt, was er hat, und bringt den Menschen ihre Begabung bei, einander
zu heilen. Jesus meint nicht, wir müssten Gott erst kennenlernen durch
heilige Schriften, Jesus packt uns unmittelbar bei der inneren Sehnsucht:
Wir gehören zu Gott. Und haben eine Sehnsucht nach dem Schönen
und dem Frieden und dem guten Verbundensein. Gottes Kinder sein, ist unsere
Würde. Alle anderen Bevorzugungen streicht Jesus. Bildung, Besitz, Leistung
hat alles seine Verpflichtung, aber macht nicht wertvoller. Christus, der
Herr in der Stadt - das rückt die Maßstäbe zurecht. Wer erster
sein will, sei Diener aller.
Das entwickelt uns Erwachsenen ein neues Gottesbild
in die Seele. Diener aller ist Gott - seine Allmacht ist, allen zu dienen.
Leidtragender von allem ist er; er trägt die Sünde der Welt. Darum
geht es nicht mehr: im Namen Gottes Krieg zu führen. Das Kind in der
Krippe anbeten heißt alles Einschüchtern lassen und an die Wahrheit
des Mitleids glauben, auf Privilegien verzichten und über jedem Menschen
den Stern leuchten sehen; auch ihm ist der Heiland geboren, auch ihm ist
Gottes Antlitz mitgegeben, schmück dich und den Nächsten.
Weihnachten ist die Würde des Menschen
ans Licht der Welt gekommen. Darum ist es schon klug, die moderne Zeit nach
Christi Geburt zu zählen. Und die Eckpunkte unseres Lebenslaufes werden
markiert mit Jesu Zeichen. So steht sein Stern auch für deine Geburt,
und sein Kreuz wird auch mal mein, dein Sterbedatum kennzeichnen. Was das
heißt? Über dir und deinem Lebenswegs sein Stern: Also vertrau',
dass du mit Gott deinen Weg gehst und du darum einigen Wahnsinn auch lassen
kannst, ab jetzt. Und dein Sterben wird mit dem Pluszeichen versehen, das
Kreuz, Gottes Plus. Wir bleiben in Gott eingehüllt, kommen nach Hause,
werden irgendwann ganz und heil.
So ist auch dieses Weihnachten Quelle für
Lebensmut, dem Jesus nach, die Sprossen der Himmelsleiter könnten auch
uns halten. Darum beschenken wir einander auch: Freude machen ist doch das
Schönste. Und der Schein für "Brot für die Welt", der ja ein
Gutschein für Leben ist, nur Freude. Engel gehören zu Weihnachten:
Uns zu verkünden, welch eine Liebe uns Gott hat gezeiget, dass wir seine
Kinder sind. Und darum können die Engel auch fliegen. Warum? Weil sie
sich leicht nehmen. Sie wissen, es trägt sie einer. Ach, lasst es uns
doch auch wissen "und wir könnten, wenn wir nur leicht wären, auch
fröhlich sein" (M. L. Kaschnitz).