Keitumer Predigten Traugott
Giesen 02.09.2001
Vom Schätzesammeln und Sorgen
Zersorgt euch nicht (Mt. 6, 19-34)
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf
Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen
und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten
noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Sorgt nicht
um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib,
was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der
Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie
säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und
euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr
als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen
könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und warum sorgt ihr euch
um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie
arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass auch Salomo in
aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen.
Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und
morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für
euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen:
Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß,
dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und
nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht
für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es
ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. Und: Gott weiß, was
ihr braucht (Matthäus 6,8).
"Sorgt euch nicht, um den morgigen Tag. Es ist
genug, dass jeder Tag seine eigene Plage habe." Dies starke Wort des Jesus
tut gut. Ja, jetzt sitzen oder stehen wir alle genüsslich hier und sorgen
uns heute nicht um morgen. Jedenfalls jetzt nicht. Jetzt ist Glück.
Die Sonne, die Wolken, die Luft, - wie wir gern haben, dass die frische
Bettwäsche so duftet. Einfach Behagen spüren, gerne ich zu sein,
gern in mir zu sein.
Ja, es gibt Augenblicke, da sorgen wir uns nicht.
Da sind wir leer vor Glück oder dösen einfach heiter vor uns hin
oder sind hoch gestimmt beim Fliegen mit einem Geliebten im Konvoi, oder
sind versunken in eine Tüftelarbeit oder lesen Kindern, Enkeln vor und
entführen sie in ein Märchenland. Als Christian, unser Spielmacher,
die verschiedenen Spiele, einigen Auserwählten vorführte, hörte
ich ihn lachen , immer wieder dies jauchzende, einverständliche Lachen
- ist das nicht tricki, ist das nicht ein Knaller,- herzliches Lachen zeigt
Glück an.- Dann aber schrecken wir auf, das Sorgen hat uns wieder. Wir
springen vom Tisch hoch, schauen alle paar Minuten, ob das Handy eine Mail
verzeichnet, oder jipern, zu überholen, denn Zeit ist knapp. Wir stehen
oft unter Dampf, nur ja alles in die Reihe zu kriegen, unsere selbstgemachte
tägliche Pflichtrallye.
Oder ein Kind weint und uns überkommt alle
Angst aus Kindertagen bis hierher. Oder ein Martinshorn tönt. Und du
fragst, wie lange noch bist du hier; und der Bauch kneift und du denkst,
es könnte was Schlimmes sein. Und du sitzt auf deinem Portemonnaie und
bist froh, bezahlen zu können, aber wer weiß, wie lange das reicht.
Schön, eine Stange Geld auf der Bank zu haben und versichert zu sein
bei Krankheit, Pflege, Brand, Unfall, Sturm, abgebrochene Antennen. Aber
was reicht denn? Bei wieviel Rücklagen hast du ausgesorgt? Und jetzt
kommt der Punkt. Weil keine Zahl reicht, alle Risiken zu decken, bleiben
wir in Sorge um den morgigen Tag, das nächste Jahr, das nächste
Jahrzehnt. Nur ja den Kindern nicht zur Last fallen - da verordnen sich Menschen
eine Urnenbestattung unter dem grünen Rasen, damit die Beerdigung wenig
kostet - lächerlich, zu welchen Entwürdigungen wir uns klein machen,
nur um des Geldes willen. Sorgen, Beschaffen, hellwach sein, keine Gelegenheit
auslassen. Aber "der Mensch lebt doch nicht vom Brot allein" (Matthäus
4,4), nicht von Materie.
Sorget nicht gebietet Jesus. Ja, Jesus verordnet
uns Sorglosigkeit.
Gegen die Wechselfälle des Lebens sich
absichern, ist ja richtig. Aber es muß mit links gehen, ohne Last.
Sonst ist was daran faul. Man kann immer mit Vorsorge beschäftigt sein,
immer sich sorgen um das Kommende; Und dann lebst du gar nicht richtig hier
und heute, sondern bist schon voraus, richtest das Kommende ein. Und schuftest
so: die ersten 40 Arbeitsjahre ruinierst du deine Gesundheit, damit du dann
genug hast, dich zu kurieren. Nichts gegen Notgroschen und Rente und etwas
Habe in der Not. Aber alles Vorsorgen löscht die Unbekanntheit der Zukunft
nicht. Man kann mit einer Rücklage einige Zeit eine Not abfedern. Aber
die wahren Sorgen hängen an Krankheit, Einsamkeit, an der Angst, der
Verantwortung nicht gerecht zu werden, und dem Tod.- Da hilft kein Geld.
Im Krankenhaus sich Vorteile kaufen können, macht lange noch nicht weniger
krank. Und Einsamkeit lässt sich durch Geld nicht löschen,- im
Gegenteil, die Angst wächst, die Menschen seien höflich zu deinem
Geld, gar nicht zu dir.
Alle Angst hat als Kern die Angst vor dem Tod.
Aber wir leben doch in Gottes Hand, und der Tod füllt uns von einer
Hand Gottes in die andere. Jetzt ist der Tag des Herrn, jetzt die Zeit nutzen,
Freude fangen und Freude säen. Jetzt gern leben, nicht dafür, dass
man dermaleinst gern lebt, Dann sind wir doch auch in Gottes Hand und beten:
"unser tägliches Brot gib uns heute". Und werden zu beißen
haben!
Unser Selbstwertgefühl hat Angst, dass
es auf die Knie muß vor Hunger, Krankheit, Einsamkeit und Tod. Aber
sorget nicht. Gott hält uns wert. Das merken wir faßbar an zwei
Stoffen: der Liebe und der Schönheit. Das Wichtigste ist die Liebe.
Sie ist unbezahlbar, ist nicht käuflich, "Liebe - Brot der Armen" so
der Titel von Tyde Monnier.- Und wieviel Liebe hast du, ich versäumt
durch Pflicht, aus Korrektheit, aus Sparsamkeit, aus Feigheit, wieviel Liebe
versäumt aus Müdigkeit, versäumt aus Sorge. Aber wir alle
können auch anders. "Die Arbeit läuft dir nicht weg, wenn du deinem
Kind den Regenbogen zeigst. Aber der Regenbogen wartet nicht. Er ist eine
Kostbarkeit aus dem Schatzkästlein Gottes. Kein Wunder, dass vorangegangene
Generationen ihn als Hoffnungszeichen deuteten, als Zeichen für Gottes
Treue; Dass ein Prisma das Licht in die sieben Farben aufspaltet, bricht
doch dem Licht keinen Deut Wunderbarkeit ab. Das Licht bleibt doch die
schönste Schönheit, die Bedingung aller Schönheit. Wir lieben
sie, die Blumen, die Vögel, auch wenn sie vergänglich sind, wie
wir auch. Ihr Schönes und unser Schönes wandert weiter, wenn es
aus unsern Körpern weicht. Wir gehen dem guten Gott nicht verloren.
Unsere Selbstachtung bleibt gehalten. Darum betrachte auch dich selbst mit
Augen der Liebe und sieh dich mit Augen der Liebe betrachtet. Rechne es Menschen
nicht zu, wenn sie dich übersehen, dich verachten. Sie müssen sich
irren. Unsere Wahrnehmekraft ist klein.
Das Anderssein macht unsicher. Aber wir lernen
doch die Achtung vor dem Mitmenschen noch. Der Kapitän der Tampa hat
die Flüchtlinge mit den Augen der Liebe betrachtet - er setzt den Frachter
vor den zu Australien gehörenden Weihnachtsinseln auf Grund, dass sie
aufgenommen werden. Und wir aufnehmen die Flüchtlinge an der polnischen
Grenze. Und niemals mehr Menschen wegen anderer Hautfarbe oder Sprache oder
Religion für zweitrangig halten. Wir sollen gut denken von uns und anderen.
Dazu gehört auch, uns mal Urlaub zu
gönnen. Das Leben ist so eingerichtet, dass uns bei einigem Fleiß
und bei einigermaßen günstigen Umständen ein Drittel
Erwerbsarbeitszeit reicht. Noch ein Drittel verschlafen wir und das letzte
Drittel ist für Privates: Familie und Freundschaft, Hobbies und vieles
andere, das auch Arbeit macht. Urlaub ist, mal ein paar Wochen allen Dienst
los zu sein - die normale Arbeit und Feierabendbeschäftigung lassen,
die Kollegen nur aus weiter Ferne mit einem Kärtchen grüßen.
Es zeigt sich dann der andere Mensch, der auch noch in uns steckt: Der Faulenzer,
der keinen antreiben muß, nicht mal sich selber. Und der Entdecker,
der neue Landschaften unter die Füße nimmt oder neue Rezepte
ausprobiert oder eine neue Sprache kennen lernen will.
Urlaub ist Erlaubnis, sich vom Dienst zu entfernen.
Tatsächlich stehen wir alle im Dienst des Lebens, müssen dem Leben
kräftig dienen, um gut von ihm zu haben. Fürchterlich, wir hätten
nur freie Zeit. Auf wessen Kosten ginge denn das? Es ist schon recht, sich
mit zu plagen, dass der Lebensacker gute Früchte bringt. Man muß
ja nicht so scharf an der Kandare sein wie der Schriftsteller Peter Handke:
"Meine Arbeit ist ein Tier, das mich in der Nacht aus dem Schlaf holt, wenn
es tagsüber nicht ganz gewissenhaft versorgt worden ist." Urlaub, Ferien,
freie Zeit, sie helfen, mich um mein persönliches Schicksal zu
kümmern. Der Alltag läuft ja meist bewusstlos, alles am Laufen
zu halten, fordert die ganze Aufmerksamkeit. Der Rest ist Zerstreuung und
Abschlaffen. Aber im Urlaub, auf langen Wegen die Flutkante längs, und
bei stillen Abenden reden sich die Seelen wieder zueinander - oder merken
ihre Leere und bitten energisch um Füllung.
Wenn wir mal völliges Entspannen und Einsinken
zulassen, fühlen wir, dass uns Freiheit zurückgegeben ist. Mal
nichts müssen, nicht mal wollen zu müssen, - sondern einfach da
sein dürfen und das wundervoll finden: Wenn du im Sand liegst und die
Körner durch die Finger rinnen lässt, dann ist das ganz von selbst
dir ein Gleichnis für die geschenkte Zeit. Und du denkst Sinn und Erfahrung
für dich, und du fühlst endlich mal wieder hin, was dir Behagen
macht. Du gehst dran, deinen inneren Schatz aufzufüllen: du liest, tauchst
in fremde Lebensläufe ein, du baust mit deinen Kindern, Enkeln eine
Strandburg, nimmst mal an einem Gottesdienst unter freiem Himmel teil. Du
liebst dich wieder, ein bißchen mehr. Du kannst Dir nicht leisten,
keinen Urlaub zu machen. Du würdest sonst verblöden. Urlaub,
möglichst von Zuhause weg, beschafft dir einen anderen Blick - einen
mit Weitwinkel. Einmal der Mühle des Alltags entronnen, weißt
du, du brauchst dich nicht sorgen um die Zukunft. Dann, wenn sie da ist,
kannst du für das Deine sorgen. Wenn schon Gott für die Spatzen
sorgt, nicht einen vergisst, dann fürchtet euch nicht, um so mehr weiß
Gott was ihr braucht. (Lukas12, 6-7). Sorget nicht. Amen.