Keitumer Predigten Traugott
Giesen 01.07.2001
Jesu Gottesbeweis
Markus-Ev 1,9-13 Jesu Taufe und Versuchung
"Und es begab sich zu der Zeit, dass Jesus aus
Nazareth in Galiläa kam und ließ sich taufen von Johannes im Jordan.
Und alsbald, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat
und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn. Und da geschah eine Stimme
vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen. Und alsbald
trieb ihn der Geist in die Wüste; und er war in der Wüste vierzig
Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den wilden Tieren, und
die Engel dienten ihm."
Wie kann Gott das Leid zulassen? - Wir haben
eine tiefe Sehnsucht nach heiler Welt, und doch tun wie nur in Maßen
unserTeil dazu. Den größten Teil aller Leiden bereiten wir uns
selber. Trotzdem wollen wir eine Welterklärung haben und eine Ordnung
erkennen, die aufs Gutwerden der Dinge hinausläuft. Aber Jesus scheint
mir, bietet keine Theorie, keine Erklärung, mir ist es, als würde
er bei theologischen Diskussionen lieber aufs Praktische lenken: Eine lange
Diskussion, ob man dem Kaiser in Rom Steuern zahlen muß - schneidet
er ab - zeigt mir eine Münze, wessen Bild zeigt sie? Na, das des Kaisers.
Und wessen Bild zeigt euer Antlitz. Na, Gottes - also gebt dem Kaiser, was
sein ist: die Münze und Gott was Gottes ist, euch selbst (Matthäus-Ev
22,21) - und schüttelte den Staub von den Füßen. Jesus meint,
unser handfestes, normales Wissen von Gott reicht völlig, um zu wissen
was richtig ist. Wir brauchen nur es eben auch richtig wollen.
Wir wissen doch, daß Gott ist, - ist als
die Kraft, alles zum Guten zu formen. Aber aus Angst schützen wir uns
voreinander und gegeneinander. Das wird zum Teufelskreis, indem wir aus Angst
Angst machen und Angst verbreiten. Also ist unser Vertrauen in Gott zu schwach.
Wir müssen uns wieder und wieder eintauchen lassen in das Wissen, daß
Jesus zu seiner Taufe empfing: "Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen
habe."
Nötig sind auch das Achten der Gebote;
auch Einsicht, daß meine Armfreiheit vor deiner Nase endet; auch die
Freiheit im Straßenverkehr, ja die Achtung der Freiheit und des Lebens
des Anderen miteinschließt. Auch ethisches Verhalten ist nötig,
aber noch wichtiger ist: Dein Gutsein glauben, du gehörst zu einem Guten
Ganzen.
Wir hatten es doch leibhaftig gespürt:
eingelassen sein, schwimmen in einem Guten Ganzen - im Mutterleib.- Dann
umhüllt von Mutterliebe, dann die Taufe.- Das Taufbecken - voll Wasser,
in das wir getaucht sind. Von allen Seiten umgibst du mich und hälst
deine Hand über mir, - diese Zusage (Psalm 139,5), daß wir in
Gott leben, in einem Guten vorkommen, wurde uns gewidmet.
Warum dann die Ecken so hart, die Forderungen
so streng, die Fäuste so grob, warum hat alles seinen Preis? Warum ist
das gute Ganze auch mit Tod, Trennung, Krankeit, Scheitern besetzt? Warum
können wir böse sein? - Alles kostbare philosophische Fragen -
aber Gott liebt mich/dich - das ist der Anfang aller Weisheit. Dies Wissen
wird Jesus eingeflößt, und der Himmel öffnete sich: die Wolken
der Zweifel, die düsteren Schatten in der Seele lichten sich: Jesus
hört Gottes Stimme: Du bist mein lieber Sohn.
Es gibt viele Anleitungen, sich zu Gott auf
den Weg zu machen, es gibt scharfe Übungen, sich zu züchtigen und
unsere Seele zu säubern - dann erst, hebe Gott sein Verbergen auf. Taube
als Verkörperung des Geistes Gottes, als Zeichen, wie Gott wirklich
der Welt gesonnen ist: die Taube, die Noah aussandte am Ende der Sintflut,
zu prüfen, ob wieder Land unter die Füße komme, ob
Versöhnung in der Luft liegt. Wir prüfen ja aneinander
unablässig, ob wir Boden unter den Füßen haben, ob der andere
uns Signale des Friedens sendet, uns anlächelt - oder gar nicht bemerkt
oder geradezu uns als Blitzableiter für seine Wut benutzt.
Wir sehen uns manchmal sehr taxiert als Frau,
als Mann, als besitzender Mensch, als Kunde, irgendwie als Objekt der Begierde
des andern - recht so, wenn man die Augen niederschlägt, und über
solche Blicke hinweggeht.- Man kann leider keinen zwingen, sich nicht mit
seinen Augen an einem zu weiden. Aber es nimmt ja nichts weg - um so
stärkender wenn ein Mensch einen willkommen heißt mit seinen Augen,
einem aufhilft, einem aus der Klemme holt, einen aus der Schußlinie
der Witzelein zieht, einen an den Tisch bittet zu den anderen, einen in
Sicherheit bringt. Jesus hat Menschen so angeschaut, wie er sich von Gott
angeschaut sah: Lieber Sohn, Wohlgefallen. Also ,du Mensch. Lieber Mitmensch:
Wohlgefallen.
Dies Gewürdigtwerden von dem Gegenüber
tut gut - denn wir zweifeln, ob wir genug Würde haben. Mancher hat Angst,
ihm werde Kraft abgesaugt dadurch, daß er sich kümmert. Und
tatsächlich gibt es in den Berufen mit Menschen viele, die
ausgeschlürft sich fühlen, erschöpft, ausgebrannt - immer
mehr sollen sie stärken, und froh machen, dabei fühlen sie sich
selbst leer. Der Jesus schaute sie an, und sie fühlten sich vollgetankt
mit Sebstbewußtsein. Genau so schaut Gott dich, er hat dich ja erfunden,
wisse dich von Gott erkannt. Und beglaubigt. Die Taufe als Siegel: Du, Sohn,
Tochter Gottes, von dir, über dich ist gut gedacht vom Herzen der Welt.
Nimm das als gegeben. Das bezweifelst du, daß gut von dir bei Gott
gedacht wird?
Jesus sagt einem (Lukas 15,1-7): Sag doch mal,
selbst wenn du hundert Schafe hättest, würdest du doch dem verlorenen
nachgehen und würdest dich freuen, daß es wieder da ist. Genau
so macht es Gott mit den Menschen auch mit dir, er geht dir nach, bis er
dich findet. Du machst es auch so: Eine Freundin heult am Telefon. Du gehst
sofort hin; ein Kollege ist mit seinem Auto irgenwo stecken geblieben und
ruft dich: bitte hilf mir: Du kommst doch. Bist dann Engel, Bote Gottes,
der in Not rief ja nicht nur nach dir, sondern nach einem helfenden Himmel.
In uns spricht sich mehr aus als wir selbst. Wir sind doch Handlanger von
weither - als Eltern wissen wir das, als Retter, als Liebende - wir
sehen uns doch genutzt vom Schicksal. Und das ist Jesu Offenbarung. Das ist
der Jesus Stoff: Gott ist ein glühender Backofen voll Liebe (Luther).
Also sind nicht Formeln nötig, nicht Termine, Ordnungen, Texte, nicht
Kirchen mit Hierachien und Sakramenten, nicht Theologien, Kataloge guter
Taten, - sondern: Gott weiß. Ohne Vorwurf, kennt auch dich und hat
dich lieb, ohne Voraussetzungen und Prüfungen, er muß nicht
gnädig gestimmt werden, wie unsere Mutter manchmal sehr, ihm muß
man keine Opfer bringen, wie den irdischen Vätern, die in ihrer Eitelkeit
leicht kränkbar sind.
Jesus erkannte Gottes Herz. Im Innersten ist
Gott Mitleid aus Mitfühlen mit seinem Eigenen. "Gott weiß, was
ihr braucht, ehe ihr ihn bittet" (Matthäus 6,8). Er bejaht euer
Nötighaben und schickt Brot, und Jesus gibt sich als Brot. Geben wir
einander, was wir brauchen.- Aus Angst heben wir viel, viel mehr auf. Haben
darum nur kleine Beträge zum helfen, aber angstfreier werden wir von
selbst großzügiger.-
Jesus braucht Gott nicht um die Welt zu verstehen,
oder die Geschichte zu erklären. Jesus sieht sich von Gott gebraucht,
jetzt einen Schrei zu lindern, ein Problem einer Lösung zuzuführen.
Darum sind die Kinder Gottes ständig in Schwierigkeiten und unheimlich
glücklich. Sie begegnen der Zeit nicht mit Verwünschungen, nicht
mit Sprüchen eines Richters, sondern mit friedlicher Arbeit, die versucht,
das Vorhandensein einer anderen Welt darzustellen, ihre Dauer aufzeigen"(Max
Frisch). Keine Theorie vom guten Leben bietet Jesus aber mit der kleinen
Kraft teilnehmen an Taten der Befreundung, dazu stiftet Jesus an. Schlau
und zäh mit deiner widerspenstigen Seele und deinem hungrigen Leib
zurechtkommen und ertragen das Unvermeidliche - auch dazu nimmt uns Jesus
mit auf den Weg.
Und resignier' nicht. In dir ist noch eine Instanz,
die noch betet und wortlos mitsingt und die noch die Zeichen lesen kann auf
Rettung hin. Du hast einen väterlich-mütterlichen Gott, der dich
liebt. Dessen Lieben wird nicht geringer, weil er auch die andere Kreatur
liebt - dessen Lieben wird nicht geringer wird, weil du ihn enttäuscht
hättest. Schon deine Liebe wird nicht weniger, wenn du mehr als einen
Menschen liebst. Wieviel mehr ist die Liebe nur vollständig, wenn sie
alles mit einschließt. Setz darauf. Sag "Lieber Gott" zu ihm, Mutter
Gott "Väterchen"- sagt Jesus sogar: Abba. -
Gott macht es gut mit dir. Setz darauf. Sieh
die Wunden durch, die das Leben dir geschlagen hat - wie hat er dir Linderung
verschafft und Trost und Stärke, zu bestehen, wie hat er Dir Menschen
geschickt, die mit Verstehen und Mitfühlen Dir wieder Lebensmut pflanzten.
Und du fandest hin zum Tochter-Sohn Gottessein, zum Vertrauen in ein
Behütetsein, auch wenn die Welt voll Teufel wär'. Dem Jesus nach
glauben, sich ihm nach taufen lassen, ihm nach Kinder und Enkel taufen in
dieses Vertrauen: Gott liebt dich. Was ist die Schlimmste Tat des bösen
Triebes: so Rabbi Schlomo von Karlin: "Wenn der Mensch vergisst, daß
er ein Königskind ist."- Du nicht. Du weißt.
Amen.