Traugott Giesen Kolumne 31.07.2004 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Gratulation zur Pensionierung - vor dir liegt Freudenland

von Traugott Giesen

Gratulation zur Rente - du hast sie verdient. Man ist doch mehr als im Beruf. Hast du wirklich vierzig Jahre deinen Mensch gestanden in harter Arbeit? Dann hast Du wahrlich ein Recht auf das gelobte Land der Pensionierung. Dann sollst du dein Auskommen haben, ohne dafür anderen entgeltlich nützen zu müssen. Du hast ja mehr verdient als du ausgezahlt bekamst, all die Jahre. Jetzt iss dein Brot in Frieden mit dem, den du liebst. Und sei guten Mutes. Vor dir liegt Freudenland.

Wir sind nicht Kreisel, die umfallen, wenn sie die Peitsche vergisst. Wir brauchen nicht den Druck, in der Pflicht zu sein, um nicht zu verwahrlosen.

In unserm Alter wissen wir, was wir können oder konnten, und müssen niemandem mehr was beweisen. Sollen die andern erst mal diese Lebenszeit hergeben für andere. Keine Klagen: Auch die Zeit im Dienst war kostbar, du hast auch viel gelacht, vor allem, du hast anderen was bedeutet. Sie brauchten dich, das war das Beste an der Arbeit. Aber wenn man geht, wird ein anderer Mensch die Stelle einnehmen, er soll es auch gut machen, ruhig anders, aber auch recht - alles hat seine Zeit, und das ist gut so.

Jetzt blick nach vorn. Du bist noch mehr, als du schon von dir weißt. Du wirst noch mehr du selbst, noch einmal anders. Natürlich wird das Ausschlafen nicht so genussvoll sein, wenn man es immer hat. Natürlich braucht die Ruhe zur Abwechslung auch Unruhe, sonst ist die Starre nah. Natürlich braucht der Fluss der Zeit auch Termine, Stationen, Verabredungen, sonst wird es ein Brei. Aber du wirst ein glücklicher Mensch werden. Du wirst auch ohne Verpflichtung mit Menschen reden, auch ohne Zwang anderen nützen, auch ohne Dienstkalender zielstrebig sein. Freude am Gelingen, das sei dein künftig Zauberwort.

Ob im Garten du einen Teich dir anlegst oder eine Familienchronik schreibst, PC lernst und eine Babysitter-Omasitter-Vermittlung aufmachst, ob du Golfen lernst oder Kochen und einen Genießer-Freundeskreis aufziehst oder einen Stammtisch in deiner Kirchengemeinde ins Leben rufst oder mit Wohnwagen nach Masuren willst und dann weiter - du wirst es sehen.

Lass dich treiben in Richtung deiner Wünsche, und tu was du willst. Und sorge dich überhaupt nicht, wenn du zunächst nur einfach da sein magst - glücklich du selbst. Wenn du das Nichtstun satt hast, kommt schon auf dich zu, was dich für sich einnimmt, verlass dich drauf. Überhaupt: Lerne Sorgloswerden.

Und wichtig, du hast mindestens einen Menschen, mit dem du dich täglich einmal reibst, in jeder Hinsicht. Und wenn ihr zu zweit altert, habt Zeiten, wo ihr euch aus dem Weg geht und aus dem Blick lasst. Gut auch, kleiner zu ziehen oder altersgerecht umzubauen, solange man noch frisch ist. Es kommen die Tage, von denen schon die Bibel voraussagt: "Sie gefallen dir nicht." Aber bis dahin bleiben dir Jahre, Jahrzehnte Erntedankzeit.

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