Traugott Giesen Kolumne 23.02.2002 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Das Glück der Spiele

Salt Lake City steigert unser Lebensgefühl. Die Olympischen Spiele in dieser wunderschönen Gegend reißen mit zur Freude. Und die Schicksale zwischen himmelhochjauchzend und zutodebetrübt verschaffen uns Tiefgang und Hochgefühl. Wir schauen den Artisten des Sports bei ihrem Gipfeltreffen zu, porentief und hautnah sind wir verknüpft mit deren Gedeih und Verderb. Das ganze Leben ist ja eine Buckelpiste, oder eine Kombination aus Laufen und Zielen und Treffen, ein Teamprojekt wie Eishockey. Gewinnen und Verlieren hängt an Sekunden. Die Spiele bringen auf den Punkt unser Kämpfen und Glücken und Scheitern.

Und immer ist es doch eine Mischung aus Gnade und Leistung, wenn Gelingen gelingt. Und wem viel anvertraut ist, von dem wird viel erwartet. Und es spielt soviel Unwägbares mit, im eigenen Leben und auf der Piste. Unendlich viel Begabung und endloses Mühen machen die Leistung; wenn dazu kommt die richtige Einschätzung von allem ringsum, und die Begabung, der richtigen Einschätzung gemäß die richtigen Schritte tun.

So sind die glanzvollen sportlichen Tage die Beute schier endlosen Sichschindens. Und die Sieger und Verlierer sind Stellvertreter von uns allen. Wir mühen uns auch und würden auch gern mal aufs Treppchen gebeten. Aber unsere Siege sind nicht fernsehtauglich, wir freuen uns im Kleinen und meist ohne Zeugen. Darum feiern wir die Sieger mit. Sie stehen auch an unserer Statt im Licht. Und auch die Verlierer sind unsere Doppelgänger: eben noch so siegessicher, stolpern sie, werden überholt, gehen zu Boden, scheitern. Und der Beifall gilt anderen. Es bleibt nur Mitleid, das schnell erkaltet.

Olympia ist auch die hohe Schule, die eigenen Grenzen anzunehmen. Also unter Mühen bis an die eigenen Grenzen gehen und den Besseren notfalls ziehen lassen, ihm dann die Ehre zu zollen. Und trotz allem wieder aufstehen, weitermachen, hinterherfahren - und wenn auch als Letzter im Ziel, so doch dabei und nicht vergeblich.
Es kann uns auch ein tiefer Respekt überkommen vor dem Körper, dieser wunderbaren Schöpfung. Wir Normalmenschen sind ja dagegen Sofakartoffeln, wir machen mehr mit dem Kopf und auf dem Hintern als mit dem ganzen Leib. Daß an die Olympiade die Paralympics anschließen, ist ein Schrei, auch den Körper mit Handikap zu ehren. Sicher steckt in mach einem Leib mit Behinderung eine geistvollere Seele als in so vielen vorübergehend sehr makellosen Körpern.

Es gibt auch Geld für die Sieger, aber was an den Spielen so anrührt ist die Begeisterung, die Freude, die Kameradschaft und die Lust, es gut zu machen, es besser, noch besser zu machen als die Anderen. Diese Lust am Erfolg ist ein Menschenschatz, wir brauchen die Triebkraft, es besser zu machen, kostengünstiger, gesünder, weniger schädlich. Die Spiele zeigen, daß wir können, wenn wir wollen. Und gegen Hass und Gewalt hilft die Leidenschaft, die Kräfte zu messen im Spiel.


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