Traugott Giesen Kolumne 12.02.2000 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Fixerräume sind das Mindeste
Die rechtliche Absicherung von Drogenkonsumräumen hat der Bundesrat
abgelehnt, und so sind auch die sieben Hamburger Einrichtungen wieder gefährdet
(es stand in Die Welt vom 05.02.). Schon die Verschaffung einer Gelegenheit
zum Drogenkonsum ist strafbar und wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis
geahndet. Prozesse gegen die jetzigen Betreiber der Fixerräume sind
in der Schwebe. Aber kann es angehen, daß wir die Drogenabhängigen
noch mehr allein lassen als wir�s ohnehin schon tun?
Zumal es wieder die Ärmsten träfe. Die wohlhabenden Süchtigen
haben Hygiene und sterile Utensilien bei sich daheim. Die armen Drücker,
nach zerrissenen Verbindungen zu ihren Familien oft ohne Zuhause, sie würden
sich wieder in Hauseingängen und Parkanlagen vor aller Augen das Zeug
reintun. Und auf Spielplätzen möglicherweise die gebrauchten
Spritzen liegenlassen.
Hamburgs Druckräume haben die Zahl der Drogentoten reduziert.
Allein schon dies Ergebnis rückte ein Schließen der Räume
in die Nähe von Beihilfe zum Töten. Doch die das Schließen
der Druckräume fordern, argumentieren umgekehrt mit demselben Argument:
Das Bereitstellen öffentlicher Räume zu hygienischem Einnehmen
der verbotenen Mittel lade zu Drogengebrauch geradezu ein. Doch wer darf
so reden? Eltern, die verzweifelt sind an der jahrelangen Drogenkarriere
ihres Kindes können sich durchgerungen haben, keinen Pfennig, kein
Trösten, kein sauberes Bett, kein Stück Brot mehr bereit zu haben
sondern nur noch die verschlossene Tür. Ihnen, die gelitten haben
fast bis zum eigenen Untergang, steht diese Abgrenzung zu. Aber unser Staat
kann nicht Verwahrlosung bis zur völligen Entkräftung betreiben.
Öffentliche Druckräume tolerieren nichts und halten auch
keine Drogen bereit. Es herrscht hier keine kuschelige Stimmung, eher ist
der Vergleich mit einer Notambulanz geboten; die letzte Station vor dem
Tod mit der Chance eines Notausgangs. Die Druckräume halten saubere
Spritzen vor, Desinfektionsmittel, auch Waschräume und vor allem Beratung
� nicht wie man an den Stoff rankommt, sondern wie man von ihm wegkommt.
Es gibt wenig Hilfe von außen. Vielleicht müssen Süchtige
erst mal den Kanal voll haben, ihr Quantum hinter sich haben, um clean
zu werden. Und daß sie dies Ziel erreichen, ohne hart infiziert zu
sein, wenn sie es denn erreichen, dazu dienen die Druckeinrichtungen und
deren menschenfreundliche Helfer.
Obwohl das Wort �Sucht� von �siech� stammt, nicht von suchen, sind
Süchtige auch Getriebene. Sie sehnen sich nach dem von Heroin oder
sonstigem Zeug ausgelösten warmen Strömen, das verbunden mit
schönen Bildern ihnen das Glück bedeutet. Etwas warmes Strömen
braucht jeder. Wer es ohne Droge erfährt, der danke.
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