Keitumer Predigten Traugott Giesen 23.05.2004

Matthäus 10, 16f

Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.

Ein starkes Wort Jesu an seine Jünger: Aber es war auch eine schlimme Zeit: Da machten die Herrschenden in Volk und Familie, was sie wollten. Und der Tempel war herabgesunken zu einer Interessenvertretung der Priesterschaft, die Hand in Hand mit der Regierung die Ordnung sicherten. Jesus brachte ein neues Vertrauen in den Gott, der in der Wirklichkeit verborgen gegenwärtig ist, "der Himmel und Erde erfüllt" (Jeremia23,24). Dies neue Vertrauen war tatsächlich eins von Schafen mitten unter Wölfen.

Wir, hier, wollen heute auch Gesandte Jesus sein, wir haben ja genossen - die Milch der frommen Denkungsart, kann man das so sagen? Wir sind doch gutmütig, freundlich, wenig gehässig, vergeben gern. Bitten gern um Vergebung? Ist das so? Na ja, wir können auch wölfisch sein, können abblitzen lassen, auf Recht bestehen, wir nehmen auch unseren Preis. Homo homini lupus - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf- heißt die alte lateinische Weisheit. Warum sollten wir anders sein? Weil Jesus uns sendet. Das ist unsere Berufung. Weil Jesus dich sendet, kannst du kein Schwein sein. Du kannst das gefundene Geld nicht behalten; Du musst dem Geschlagenen beistehen. Du musst sehen, dass die dir Anvertrauten klarkommen, du stellst für die altgewordenen Eltern die Versorgung sicher. Du schenkst gern, hast gern Besuch, bist "gastfrei ohne Murmeln" (1.Petrus 4,9). Du gibst Arbeit auch dem Geförderten und nicht nur dem Effektiven. Du traust dem Nächsten Gutes zu.

Auch wenn er wolfsähnliche Züge hätte, legst du ihn nicht aufs Wölfische fest. - Du kommst ihm nah. Du zeigst ihm dein freundliches Gesicht. Du willst dem Jesus ähnlich ein Menschenfreund sein, seine Sanftmut ausstrahlen. Das ist mehr als durch die Finger sehen, und fünf gerade sein lassen. Das ist aktives Friedenstiften. Aber vorsichtig, sollen wir sein, Nicht mutwillig Konflikte anzetteln, "Es genügt, die unvermeidbaren Konflikte nicht zu vermeiden" (E. Drewermann ). Seid klug, ja seid listig wie die Schlangen und arglos, ohne Falsch, wie die Tauben. Also auf der Hut sein ist nötig, wir sind unter Wölfen - seid klug, auch schlau, erfass die Werte, die nötig sind, lass Vorsicht walten, weck die Wunschkraft, wächst sie im Stillen, baut das die Abwehr ab. Sein Haus nicht auf Sand bauen, - der "reine Tor" ist nichts als ein Tor, ein Dummkopf nur - die richtige Bauformel wissen sollen wir schon.

Aber, trotz aller schlimmen Erfahrung bleib voll Gutheit. - Es kann sein, dass dein Gegenüber dir eine Falle stellt, aber du setzt auf seine Redlichkeit. Er kann auch einer sein, der von Christus geschickt ist, dass durch ihn die Welt gerettet wird. Gerade kann ihn die Bekehrung erreicht haben, und vor dir steht ein Verwandelter. Bis zum Erweis des Gegenteiles, setz auf seinen Friedenswillen. Sonst machst du ihn doch zum Wolf.- Dein Argwohn, unterstellt ihm Übelwollen - das stinkt ihm. Das vergiftet, was zwischen euch ist.

Also Vorsicht und Vertrauen! Aber wie das zusammenhalten? Die Regierung Israels schafft es nicht. Die Regierung Bush auch nicht. Vielleicht hat es die Bundesrepublik mal geschafft, dem Ostblock versöhnlich zu begegnen. Als Schwache den Starken gegenüber, war das klug. Als Starke den Schwachen versöhnlich begegnen? Ihnen nicht den fremden Willen aufzwingen? Gewalt nicht mehr als Instrument nutzen? Die Geschichte der Vereinigung Europas ist so wunderbar, man muß nur die Atlanten von 1933 , von 1948 von 2004 vergleichen; wie viel Entfeindung hier gelang.

Doch mit Gewalt versuchen wir die Hungernden der Erde von unsern Grenzen fernzuhalten. Wir müssen mehr Entwicklungshilfe leisten, um Hungergebiete instandzusetzen, dass dort die Menschen sich ernähren können. Dann würden sie bleiben, sie lieben ihre Heimat. Aber solange wir bei "Brot für die Welt" blockieren - heute wieder: wolfsähnlich werden wir gleich unsere Scheine festhalten, und eine Wut auf den Pastor kriegen. Der uns ein schlechtes Gewissen macht.- Aber nicht doch, das machen wir uns selbst, weil wir nicht unserm Gewissen gemäß handeln. Dann sind auch wir nicht Schafe, sondern Wölfe- das ist das ganz normale Elend der Christenheit.- Wir lieben Gott um seiner Güte willen, aber lassen ihn allein. "Wer den Hungernden nährt, leiht Gott" (Sprüche 19,17). Wir sind froh, Jesus als Vorbild zu haben und nicht den streitbaren Mohammed, aber statt unter Wölfen Schafe zu sein, bringen wir doch unser Schäfchen ins Trockene. Unsere Herkunft steckt uns noch in den Genen: Sprungbereit den Vorteil wahren, aber immer auf der Hut, das ist uns ins Erbe gestreut. Und doch auch: die Kindschaft Gottes; doch, wir sehnen uns nach Gutsein. Andrerseits wollen wir nicht gegängelt werden, dann doch lieber andern den Platz anweisen.

Unser psychisches Vermögen kann allerfeinst ausgebildet sein und welche Verwirrung und Einsamkeit sich hinter störrischen Launen verbirgt, ist schwer zu sagen. Harold Brodkey beschreibt die inneren Verwicklungen eines Menschen so : "Sie bildete aus Mutterwitz und Verstand sich Krallen und Panzer, sie brauchte und wollte und verfolgte Leute, Männer und Frauen, damit sie zu einem Teil von ihr würden- zu einem Teil ihrer Ausrüstung- damit sie ihr Beachtung schenkten, sie ausstaffierten und ihr halfen. Sie umschmeichelte solche Leute, um sie so weit zu bekommen, bis sie das zutreffende oder paranoide Gefühl hatte, sie hätten nichts für sie übrig, sie hätten sie fallen gelassen. Dann begann sie übungshalber mit Angriffen hinter ihrem Rücken, und wenn das Furnier der Scherzhaftigkeit abgeschliffen war, attakierte sie die Leute frontal." (aus: Unschuld)

Dies nur als ein Beispiel für unsere Fähigkeit, uns Vorteile zu sichern. Ein anderes erzählt der südafrikanische Bischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu: "Die Erfahrungen, die Afrika mit der Bibel und den Missionaren gemacht hat, gehen so: Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf zu beten, und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land."

Wie können wir die Chance haben, dass ein neuer Geist über uns kommt? Alle Dinge sind möglich dem, der glaubt, der sich als Gesandter glaubt. Das ist es wohl, Du hast doch Lust am gut sein, es brennt in dir, eben nicht mies zu sein. Du musst nicht jeden Vorteil nutzen. Du bist mit genügend genug zufrieden. Andere müssen kämpfen, siegen, mehren, Sicherheiten sammeln, immer mehr Anrechte haben. Sie sind so voller Angst, dass sie mal bitten müssten. Du aber, wenn es an der Zeit ist für dich, dass du Hilfe brauchst, ist das auch gut. Du willst es gut sein lassen, dann. Aber du weißt auch, wie es auf die Tagesform ankommt, und wer dir über den Weg läuft und dir dumm kommt- Du kannst auch garstig sein, Wolf im Schafspelz- aber im ganzen weißt Du, ist nichts Teuflisches in dir. Du kannst dir vertrauen, du hast Erfahrung mit Dir, hast auch gelernt, das dünne Eis zu meiden. Du bist auch nicht einladend für Wölfe, spielst nicht zu gern Rotkäppchen oder lässt dein Geld raushängen. Du bohrst auch nicht in Wunden nach der Wahrheit. Du fragst nur, was du musst, du zwingst nicht zu lügen. Du bleibst im Zustand der Gnade, deckst lieber zu. Lasst uns doch Gesandte Jesu sein wollen, oder sagen wir es nicht in so hohem Ton: Wir wollen uns anstrengen, vertrauenswürdig zu sein. Und werden Vertrauen nicht für blöd halten.

Mit den Wölfen heulen? Wann legen wir uns an? Wir sind mit schuld im Rahmen unseres Mitwissens und Zuhörens und Teilnehmens. Verleumdet ist schnell, mit Tratsch unterhalten, auf Anderer Kosten, geht schnell. Stark, wer über andere nicht schlecht redet sondern zum Besten kehrt. Mag sein, dass wir mit den Wölfen schon mal heulen müssen, aber wenn, dann wenigstens zur Seite, Doch tanzen sollte man mit ihnen nicht. "Schüttelt den Staub von den Füßen, und geht anderswo hin"- rät Jesus (Matthäus 10,14)

Der wahre Glaube hat als Mitgift Liebe und Lebensfreude (H. Brodkey). Und eine Ahnung, dass uns das Richten, wer gut und wer böse sei, nicht zusteht. Es ist da eine Verheißung: "Wolf und Schaf werden miteinander weiden" (Jesaja 65,25). Napoleon, einer der größten Schlächter der Menschheit bekannte: "Am meisten bewundere ich die Ohnmacht der Gewalt, etwas zu behalten. Es gibt nur zwei Mächte in der Welt: Das Schwert und den Geist. Auf die Dauer wird das Schwert immer durch den Geist besiegt." Gesandte Jesu leben das, sie wissen: Probleme, die nur mit Gewalt gelöst werden können, müssen neu gestellt werden. Nichts wird mit Gewalt geheilt. Also lieber verachtet sein als gehasst. Amen.

Drucken