Keitumer Predigten
Traugott Giesen 22.10.2000
Die Mitteilung des Glaubens
Markus 4, 4ff: Jesus sprach zu den Leuten:
Es ging ein Sämann aus zu säen.
Und indem er säte, fiel einiges auf
den Weg; da kamen die Vögel und frassen�s auf.
Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es
nicht viel Erde hatte, und ging alsbald auf, weil es aber keine tiefe Erde
hatte, verdorrte es bald.
Und einiges fiel unter die Dornen, und
die Dornen wuchsen empor und erstickten�s, und es brachte keine Frucht.
Und einiges fiel auf gutes Land, ging
auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreissigfach und einiges
sechzigfach und einiges hundertfach.
Und er sprach: Wer Ohren hat zu hören,
der höre!
Und er sah die fragenden Gesichter und
sprach zu ihnen: Versteht doch:
Der Sämann sät das Wort Gottes
(Markus 4, 14).
Ein Wort Gottes brauchen wir täglich
� eine Ration Mut und Weisung. Das Wort ist Saat, hat eine Tiefe bei sich,
wenn wir das nur fassen könnten. Es ist die Energie, die Leben gedeihen
lässt, nicht Worte darüber, nicht Nachricht von, sondern die
Sache selbst. Wort Gottes sagt nicht dies und das von Gott sondern sagt
Gott an, teilt Gott mit, ist Grundberührung mit dem Grund der Dinge.
Wort Gottes macht, dass Gott, Leben, Liebe in uns keimen, aufgehen, Frucht
bringen. Wort Gottes ist, worin Gott auf uns einwirkt, er uns trifft, von
sich uns abgibt, er uns begegnet. Im Wort Gottes teilt sich Gott mit, wie
im Liebesbrief die Liebenden sich einander mitteilen. Beim Erzählen
dessen, was man gerade macht, teilt man ja an den andern aus, nimmt ihn
mit rein. Der Liebesbrief ist kein Berichtsblatt sondern ist Liebe. Wort
Gottes ist kein Satz über Gott sondern seine Widmung an dich, keine
Mitteilung sondern Teilnahme. Gott teilt mit uns sein Wesen. Er redet dich
an, darum bist du; sieht dich an, darum bist du gehalten; hört dich,
darum wirkt dein Reden.
Wort Gottes ist das Lebendige am Leben,
was Leben sät, eben, was dich sein lässt, was macht, dass du
du bist.
Wort Gottes ist oder war auch, was Menschen
vor uns als Lebensstoff hörten, Die Bibel ist das konzentrierte Archiv
einmal geschehener Worte Gottes, zunächst an unsere Vorfahren gerichtet;
wir sind die Zweitverwerter, die noch aus dem, was einst sensationelle
Offenbarung war, eine Portion Wahrheit für sich heute freilegen können.
Die Bibel als Archiv der geschehenen Worte Gottes ist zentriert um den
Menschen Jesus, der das Wort Gottes auf zwei Beinen war � und was er sagte
und tat, das lernten wir als Abbild, Abdruck Gottes schätzen. Bis
heute hat das, was Jesus Christus geschehen ist, Offenbarungskraft: Gott
ist kein Gott der Toten sondern der Lebenden. Darum sind die Toten vielleicht
für uns tot, aber in Gott leben sie, sind auch für uns nur durch
eine Papierwand getrennt. Der Auferstandene Christus ist das Wort, in dem
Gott sich als immer erneuernder Schöpfer mitteilt, der nichts und
niemanden aufgibt, der immer nur verwandelt und in ewigem Gespräch
hält, wen und was er ins Sein gerufen hat.
!934 war in Deutschland eine Glaubenspest
angebrochen, die Adolf Hitler als Heiland für Deutschland ausrief.
Dagegen haben Christen in der Theologischen Erklärung der Bekenntnissynode
von Barmen festgestellt: �Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift
bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir
im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.� Damit gilt
in der Ev. Theologie wenigstens, dass gegen Christus nichts die Qualität
eines Wortes Gottes hat.
Gottes Wort ist, was Leben sät. Auch
die Bibel, auch der Auferstandene Christus. � Aber eben auch, was unmittelbar
Leben beschafft. Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. So ist
das Licht, ist jeder Sonnenaufgang Wort Gottes an mich: Auch aufzustehen
zu erleuchtendem Tun. Und die wärmende Sonne auf dem Antlitz ist die
direkteste Bejahekraft, Wort Gottes durch die Poren aufgenommen, und dieses
Wort Gottes ruft die Antwort in Körpersprache hervor. Unsere dankbaren
Gesichter sagen, dass wir uns als Beschenkte erleben.
Gottes Wort ist das, was Leben sät:
Eltern als Gottes Mitarbeiter, die das Kind als Wort Gottes an sie, als
Auftrag annehmen. Kinder dann auch die Eltern: Die mir zum Leben halfen,
denen helfe ich jetzt, und andere Aufgegebene, Anvertraute sind doch Wort
Gottes. Die Liebe, in all den wunderbaren Variationen, ist Gottes Wort
� oder sein Duft, oder seine Musik. � Aber Wort ist wohl umfassender.
Mit unserer Sprachlichkeit werden wir
in Augenhöhe zu Gott gestellt. Zum Menschengeheimnis gehört wohl,
dass wir lauschen, dass uns wer bestätige, einer uns wahrnimmt, uns
einer anruft, einer schreibt, dass wir einem fehlen.
Wir sind wesentlich wohl nicht autark
geschaffen sondern bedürftig der Ergänzung. Als wären wir
Erfindungen einer Sehnsucht, die sich aus uns Bruchstücken ihre Ganzheit
baut. Na, wollen wir nicht zu naseweis Gott in die Karten gucken, aber
dass wir vor Einem leben, dass Einer herschaut, dass Einer nach mir fragt,
dass ich verantwortlich bin, also angelegt bin, rede und Antwort zu stehen,
macht unser Menschsein aus. Es nicht menschlich, einfach im Garten Eden
sich�s gut gehen zu lassen wie das Vieh.
Den Hintergrund all unserer Seelen bildet
die Geschichte vom symbolisch ersten Menschenpaar, die im Garten von der
verbotenen Frucht assen und gerufen werden: �Mensch, wo bist du?� Und in
der nächsten Geschichte, des symbolisch ersten Geschwisterpaares,
als Gott den Kain fragt: �Wo ist dein Bruder Abel?� � und der die mörderischste
Antwort aller Zeiten gibt: �Was soll ich meines Bruders Hüter sein?�
Gott als die Instanz, vor der du/ich mich orten soll, ich mich frage, wer
ich bin, was bin ich für einer/eine? Nämlich vor allem auch bin
ich einer/eine dadurch, dass mich Gott in Beziehung zu sich ruft? Und der/die
bin ich, der/die zum Hüter des Gedeihens des Nächsten bestellt
ist.
Entscheidend: Wir sind vor. Wir sind nicht
komplett, wir sind zum Lauschen bestellt, brauchen Bejahung, wir leben
vor. Wir wissen, dass wir vor einer Instanz geschehen, letztlich Gott.
Aber jeder Mensch, letztlich jedes lebendige Wesen soll uns Echo geben,
dass wir taugen. Darum kochen wir gern lecker oder wollen gute Arbeit leisten
oder machen schöne Augen, dass uns einer/eine sagt: Du gut. Und wenn
wir keinen haben, der mit uns einverstanden ist, schreien wir die Wand
an. Wir lechzen nach Einverständnis. Robinson, allein, dressiert wilde
Katzen zum Tanz � um in ihrem Mitmachen so was wie Bejahung abzulesen.
Wir lauschen nach einem Wort, das uns
Sein gibt. Das Wort in den Worten, die uns Lebenskraft geben, ist Gottes
Wort. �
Also auch des Vaters Wort an den ängstliche
Sohn: �Stell dir alle Lehrer im Nachthemd vor, dann vergeht dir die Prüfungsangst�
� Gottes Wort. Auch das Wort der einander Zugetanen: �Ich liebe Dich� �
Gottes Wort. Des Arztes Zuspruch: �Dreimal täglich diese Tabletten,
Bettruhe, milde Speisen nur, dann wird�s wieder� � Gottes Wort. Und: du
sollst nicht töten, liebe und schütze Ehen, du sollst nicht Falsch
Zeugnis reden, nicht stehlen � Gottes Wort.
Alle bejahenden Worte, die wir einander
geben, machen ja eine Energie mobil, die letztlich Gottes Stoff ist. Der
Eltern aufbauende Worte, der Liebenden Geflüster, die Heilungsprognose,
die ethischen Weisungen haben doch heilige Autorität; sie entsprechen
Gott, wie wir ihn von Jesus Christus her zu glauben wagen. Auch nehmen
wir doch jedes stärkende Wort als vom Himmel her gesagt, als Verkündigung,
als Botschaft. Und jedes niedermachende Wort ist uns doch als Verfluchung,
Verdammung. Am Boden zerstört kann uns eine Kündigung zurücklassen,
ein Türenknallen kann uns abschneiden vom Wort Gottes, kann uns ausliefern
feindlichen Kräften.
Doch, ich glaube, dass in jedem Wort,
das aufbaut und nicht gefangennimmt, Gott den Hintergrund bildet, wie ja
alles heilende, besorgende Schaffen Gott in uns ausrichtet. Und die zerstörenden,
ehrabschneidenden Worte, Gift und Galle, die Hasstiraden sind gottleer,
von Sinn hohl, wie das Böse Abwesenheit des Guten ist.
Aber wie geht es mit dem Saatgut Lebensmut.
Manches verdorrt, wird zertreten, kommt nicht zu Frucht und Blüte.
Kann ich so hart werden innen, dass mich kein liebendes Wort mehr erreicht?
Kann sich meine Seele zubetonieren mit Hassparolen? Kann sich mein Bewusstsein
von mir hier auflösen, und damit zerfällt auch Gott für
mich? � aber noch lange nicht ich für ihn. Das ist sowieso meine Hoffnung,
dass Gott mich vor sich hat, bei sich, egal, was ich davon mit meinem Schwammkopf
hier denke. Du musst dir Gott nicht merken, du bist ja ein Wort Gottes.
Doch, du, eine vertrauenbildende Massnahme, du, ein Lichtblick, du, ein
Grund zur Freude. Du, ein Brief Christi, der Glaube mitteilt.
Und jetzt hör auf, dich zu bekritteln,
dich madig zu machen. Lebe, dass du eine Empfehlung Gottes bist, lass in
dir lesen, teil dich mit, teil dich aus. Soweit es an dir ist, geh dem
Leben möglichst wenig auf die Nerven. Sieh dich als gute Mitteilung,
ein schönes Kunststück des Herrn. Amen.
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