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Dein Wille geschehe

Dienen - Verdienen

Dienen ist in unserer Gesellschaft ein Tabuwort, weil es besetzt ist mit viel Herrschaft und Knechtschaft und Sklaverei. Und da sind wir durch zweitausend Jahre Christentum doch wissend geworden, dass die Aufteilung in Herrscher und Diener nicht sein soll. Dass wir dennoch andere zwingen, uns zu dienen, ist im Weltmaßstab ganz klar: Für eine Mark Tageslohn Bananen pflücken, für eine Handvoll Reis den ganzen Tag arbeiten - wir wissen es alle: wir zwingen nicht mehr mit Peitschen, sondern mit Kaufkraft.

Die Lust am Geld, am puren Haben ließ den Wert der deutschen Aktien von einem auf den anderen Tag um drei Prozent fallen. Was war geschehen? Das Bundesverfassungsgericht hat dem Staat aufgegeben, Erträge aus Geldanlagen lückenlos zu besteuern. Nur ein Zehntel der Steuerzahler geben erst ihre Zinseinnahmen beim Finanzamt ganz an. Dabei brauchen auch sie das Geld nicht, um Brot zu kaufen oder für ein Dach überm Kopf. Sie wollen Geld, immer mehr, um sich immer mehr schützen zu können davor, dass sie dienen müssen, der Willkür anderer mal gehorchen zu müssen.

Wir fürchten so sehr, dass wir auch mal bitten müssen, wir wollen nie auf Hilfe anderer angewiesen sein. Das ist der Kern unseres Herrschaftswillens, andere zu unseren Gunsten in immer effizienterer Weise zu nutzen. Dass die Dienenden ihre Mühen gelindert bekommen und nicht zu sehr darunter leiden, uns zu dienen, werden auch die fördern, die an ihnen verdienen. Denn es fördert den Betriebsfrieden. Dass auch die Dienenden an ihrem Dienen mitverdienen, hat den Vorteil, dass es keine Revolte gibt.

Sich drücken vor dem Dienen liegt nicht nur dem Wohlhabenden im Blut. Geld ist Verfügungsmacht, und der Appetit nach Verfügungsmacht steckt in uns allen. Jedes Fischlein verteidigt sein kleines Territorium. Nur, bei uns Menschen herrscht die Tendenz, dies Territorium unbegrenzt auszudehnen, und das macht uns so gefährlich. Nicht fragen müssen, nicht auf Anerkennung angewiesen sein, nicht verhandeln müssen, sich nicht bücken müssen, nicht grobe Worte einstecken müssen, zuvorkommend behandelt werden, erleichtert uns viel.

Die Aufteilung in Herren und Knechte galt lange Zeit als natürlich, galt sogar als gottgegeben. Die Aufteilung in die da oben und die da unten schien lange mit einem herrischen Gott im Einklang, ja die irdischen Herren galten als Fortsetzung des Herrgotts auf Erden. Noch bei Luther galt der Hausvater für Frau und Kinder und Gesinde als von Gott eingesetzte Autorität. Bis in unser Jahrhundert galt der Offizier, der Polizist, der Herr Doktor, der Herr Pastor, der Herr Lehrer als mit überirdischem Herrschaftsanspruch ausgerüstet. Vielleicht haben wir Heutigen erst die Ohren dafür, welch grundstürzende Verwandlung Jesus angebahnt hat. Er hat die Maßstäbe vertauscht: �Wer groß sein will, der sei Diener aller. Ich bin nicht gekommen, mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen.� (Matthäus 20,26.28).

Jesu neuer Maßstab wäre längst vergessen, wenn da nur ein Mensch mit hohen Idealen aufgetreten wäre. Aber dieser Jesus sagte: �Wer mich sieht, der sieht den Vater.� (Johannes 14,9) Damit stellt Jesus klar, dass Gott selbst sich nicht dienen lässt, sondern dient. Das Geheimnis der Welt will nicht mehr als Herr über allem hoch droben angebetet, sondern will in Gebrauch genommen sein. In Jesus bietet er sich selbst als Knechtgestalt an. Gott unterzieht sich dem Leid, er liefert sich dem herrischen Menschen aus. Er trägt die Sünde, den Unrat, die Qualen. Er packt nicht auf, sondern er lässt sich beladen. Gott lässt sich mit uns Lieblosen beladen.

In der Geschichte von der Sintflut (1.Mose 7-9) ist zunächst noch das andere Gottesbild am werk, der herrische Gott, der die Nase voll hat von seiner Kreatur und alles, fast alles, ersäuft. Aber an den Rändern dieser entsetzlichen Geschichte erzählen die Überlebenden, dass Gott nicht mehr zuschlagen will. Und in Jesus gibt Gott uns sein Wort, dass sein Lieben die Welt bedient. Jesus wäscht den Seinen die F��e (Johannes 13), Gott mit Schürze - das hebt die irdischen Machtstrukturen aus den Angeln. Keine Macht mehr ist heilig, keine Kommandoebene mehr hat den heißen Draht zur Wahrheit. Keine Unterwerfung mehr ist gottgewollt. Wer aus den Gaben Gottes Instrumente macht, um anderen seinen Willen aufzuzwingen, sei es durch Geld, sei es durch Wissen,, sei es durch Waffen, sei es durch Autorität, der handelt wider Gott. Gott ist die unerschöpfliche Quelle guter Möglichkeiten, und er hat mich nicht gemacht, damit ich anderen das Wasser dieser Quelle abgrabe. An den Gott des Jesus glauben heißt auch, an den uns dienlichen Gott glauben, der es so eingerichtet hat, dass das Leben uns gut bedient, wenn wir dem Leben gut dienen. Der uns so begabt hat, so ausgestattet hat, dass wir Einahnderdienen und nützen können, der macht auch, dass wir, einander fördernd, das Leben genießbar finden und machen können.

So ist es auch kein Kommando, sondern eher eine Gebrauchsanweisung fürs Leben, dieses berühmte Wort aus dem ersten Brief des Petrus: �Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der verschiedenen Gnaden Gottes.� (4,1) Luther hat zielsicher benannt, was gemeint ist, nämlich �dass wir unseren Nächsten helfen und ihn fördern in allen Leibesnöten, ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten, ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren, ihm das Seine zu behalten, förderlich und dienlich sind� (Kleiner Katechismus). Es ist dies der Entwurf für eine freundschaftsgetönte , geschwisterliche Menschheit, wo nicht einer dem anderen egal ist, wo erst recht nicht einer des anderen Aussaugeobjekt ist, sondern ist, sondern wo jeder gibt und nimmt im Verbund, aus freien Stücken, aus Zuneigung, aus einander Zugehören; aus Mitfühlen, dass im andern genauso eine bedürftige Seele steckt, die hungert und sich äugstet und auch sich sehnt, wertgeschätzt zu werden. Dies zu wissen nicht als Lexikonwissen, sondern als Herzensbildung, als die gemeinsame Muttersprache, das ist gut, und darum sollen wir�s!

Muss dies Sollen sein? Den Tieren muss man ihr Soll nicht beibringen, sie alle sind nahtlos eingeschweißt in die Nahrungskette. Nur der Mensch hat einen Spalt Freiheit für Denken und Wollen, für Entscheiden und Irren und Schuld. Der Mensch hat einen Spalt Freiheit für Vorlieben und Verachten. Im Tierreich dient eins dem andern automatisch. Aber wir müssen es wollen. Wir können uns verweigern. Wir können einander zum Fluch oder zum Segen werden. Das ist Glanz und Elend unserer menschlichen Würde.

Darum gibt uns der dienliche Weltengrund auf, einander dienlich zu sein. Dies erklärt uns zu allererst einmal für gleichwertig. Keiner ist dazu bestimmt, sich nur bedienen zu lassen, als sei er der Zweck des Lebens. Zu Haushaltern der vielerlei Gnaden Gottes sind wir bestimmt. Das stellt uns das gemeinsame Haus, den gemeinsamen Haushalt Gottes vor Augen. Griechisch: �oikos menos� - das gemeinsame Haus; Ökumene - gemeinsame Weltfamilie; Ökonomie - die Lehre vom Haushalten. Auch wenn wir hier immer individueller existieren können, nicht mehr Angst haben müssen vor Wasserfluten und Feuersbrünsten, nicht mehr gezwungen sind, in einer Großfamilie auf Gedeih und Verderb unter einem Dach zu leben unter dem dauernden Zwang, auf Schritt und Tritt Rücksicht nehmen zu müssen, so bleibt doch: Du mit deinen Gaben brauchst die, die dich brauchen. Du musst dein Leben ausgeben; deine Lust, Frucht zu bringen, musst du gestalten. Du bist ein offenes Ende vom Lebenswillen. Du musst dich mit anderen offenen Enden verknüpfen lassen, musst dem Leben dienen, damit es dir dient. Also biete dich an, lern dazu, misch dich ein, lass dich erreichen von Hilfeschreien, stummen Blicken! Lass dich vermengen, bleib nicht für dich hinter einer Mauer aus Argwohn und Geld oder Dünkel oder deinen Versager-Ausreden! Fädele auch andere wieder ein, kümmere dich, sonst wirst du verkümmern, werde liquide, gib dich aus! Sieh dich als gute Investition Gottes, darum bittet er dich!

Predigt aus St. Severin, Keitum; veröffentlicht in: Traugott Giesen - Vater unser in Ewigkeit. Amen - Radius-Verlag, 1993, vergriffen.


 




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