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Traugott Giesen Kolumne aus Hamburger Morgenpost 23.05.1998

Nachdenken über Scham

Scham ist Signal: Gleich tust du was gegen dich, und kommst du dir abhanden. Oft schämt man sich, wo man sich nicht zu schämen brauchte. Und ist schamlos, wo Scham gut täte. � Lange haben wir Scham aufs Geschlechtliche gezogen, doch eigentlich gehört sie zur Ohnmacht. Das starke alte Bild verknüpft es: �Und sie waren beide nackt im Garten Eden, der Mann und die Frau, und sie schämten sich nicht (1. Mose 2, 25). Aber sie aß von der verbotenen Frucht und gab ihrem Mann auch davon. Und er aß. Da gingen den beiden die Augen auf und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, und sie flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze (1. Mose 3, 6.7).

Diese Paradiesgeschichte wiederholt sich in unser aller Lebensgeschichten viele Male: Liebe entdeckt zwei Menschen einander. Sie erkennen sich, erkennen sich an als wunderbar und einander stärkend � sie können nackt sagen, was sie müssen. Sie sind beieinander gut aufgehoben. � Doch dann verdunkelt sich in ihnen was. Eine Art Sonnenfinsternis der Liebe fällt über sie � Gott, Zusammengehören, miteinander im Guten sein, das gerät aus dem Blick, sie essen vergiftete Früchte, sei es Mißgunst, Argwohn, herrische Allüren, sie werden skeptisch, dann zynisch, es gehen ihnen die Augen auf für ihre selbst eingebrockte Schäbigkeit, sie verstecken sich voreinander, sie bedecken sich, weichen sich aus, sie wenden Wort und Blick von einander ab. Sie schämen sich der gemeinsamen Schuld und des gegenseitigen Beschuldigens. Sie sehen ihre Kleinlichkeit, wie sie sich noch bestärken in ihrem Miessein und sich lähmen im Gutsein, und sie beschimpfen einander, sie schämen sich und beschämen den andern. �

Aber es ist ja heiliger Geist da, kosmische Liebeskraft, Gott genannt, die preßt Neuanfang in die Herzen. Es gibt Vertrauen auch jenseits von Eden. Verheißung kann erblühen, � daß wir wieder den Blick heben können. Du, glaub dich angeschaut von einem liebenden Willen. Wenn du jetzt, ja jetzt, bewußt einatmest � und dann ausatmest mit geschlossenen Augen � du spürst in dir ein Gutsein; mach es, atme ein, atme aus � im Augenblick der Stille breitet sich in dir Heilendes aus. Es ist dieses tiefe Atmen wohl ein Erinnern an das Trinken an Mutters Brust � erst eher eilig, aber dann, der Quelle sicher, kam tiefer Friede über uns � und wir atmeten ruhig. Wir sahen auch das Gesicht, das uns Gutsein spiegelte � und ihr Anschauen wies über sich hinaus. Liebendes Anschauen ist ein Pfand fürs Antlitz Gottes. Aus jedem offenen Angesicht schöpfen wir Ansehen und werden entschämt.

Scham ist Schutz. Geschützt wird Würde, deine, meine. Schamlos sein ist unmenschlich. Scham soll schützen vor Beschämung. Wir sind einander ausgeliefert und anvertraut. Behüten wir einander.


 




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