Traugott Giesen Kolumne 21.02.1998 aus Hamburger Morgenpost
Wat de Karneval soll
Wenn es man nur nicht plästert an Rosenmontag. � So viele Mühe
haben sie sich gegeben für die Festwagen und die Kostüme. � Es
ist doch ein Fest der Meschenverwandtschaft, wie es kaum ein Zweites gibt
� da liegen sich die Menschen in den Armen und spielen Kind, freche, lachende,
sorglose Blagen. Und je öller, je döller.
Wer das nicht von Jugend auf mitgemacht hat, dem scheinen die Lieder
doof und die Spiele wirr, die Tänze platt und die Darbietungen dröge.
Aber diese Sicht von außen, von oben wird dem tieferen Sinn nicht
gerecht. Da kann man genau so abschätzig reden von Fußball und
Olympia. Im Norden Deutschlands, im herben Friesland brennen die �Biiken�
� riesige Reisighaufen mit Beimischung von Brennbarem aller Sorten und
kräftig Dieselöl zum Start. Es werden Reden gehalten vom Schutz
der Heimat und dem alten Brauchtum, auch wird die Friesenhymne gesungen,
aber mehr vom Band als von frischen Kehlen. Und doch sind ganze Dörfer
auf den Beinen und Gäste kommen von weit her � und anschließend
sind die Gasthäuser voll und man mag sich und redet vertraut.
Biike, oder Aufrichten des Maibaums oder Karneval, sie leben davon,
daß diese Begehungen immer schon da waren. Der Sitz im Leben mag
sich ändern � die Biiken leuchteten ehemals den Walfängern zum
Abschied, Karneval war mal ein letztes verordnetes wildes Prassen und Scherzen
vor der langen kargen Passionszeit. � Die historischen Zwecke sind dahin,
aber der Spaß an der Freud ist geblieben. Und der hat sein Recht
für alle, die mit diesen Festen Heimat verbinden.
Karneval, Fasching, Fasenacht bedienen ein ganz bestimmtes Bedürfnis.
Es ist die Freude am Verkleiden und Spaßhaben und einer ziemlich
direkten Anmache. Die aber läuft immer in der Öffentlichkeit
und bezieht daraus ihre Harmlosigkeit. Mann und Frau sind gnadenlos gleichberechtigt,
der üppige Konsum von Alkoholischem reißt oft die letzten Schamschranken
ein, aber Müdigkeit begrenzt letztlich den Unsinn.
Gut ist, daß es keine Zugangsvoraussetzungen gibt als eben die
Lust, dabei zu sein. Es ist die Love-Parade von früher. Letztlich
ist es doch schön, daß Menschen sich einfach in die Arme fallen
und Freunde werden, und wenn auch nur für kurze Zeit; es ist demokratisch
und gerecht, ein Fest aller Kreise und Altersgruppen, billig, wenn man
Maß hält; es ist ein Stück gelebte Freiheit. So unkriegerisch,
so sanftmütig fast, so farbenfroh und großzügig gehen so
viele Menschen kaum sonst miteinander um. Und keiner hungert, weil alle
sich einander weiterreichen, was da ist. Freude verderben ist gehässig.
Feiern und Spielen ist sehr menschlich.