Traugott Giesen Kolumne 13.12.1997 aus Hamburger Morgenpost
Schenken und beschenkt werden
Wir verschenken und nehmen in Empfang: Spielzeug oder ein Haus, Schein
oder Schlips, eine Torte oder den Lutscher, Zeit, Zartheit, Aufmerksamkeit
und vieles, vieles mehr.
Weihnachten ist das Fest des Schenkens. Natürlich wird viel übertrieben,
auch Sachen werden besorgt, weil man zuwenig Zeit hatte; Symbole der Liebe
werden überreicht, auch wenn die Nähe zu wünschen übrig
läßt.
Aber gegen Schenken überhaupt ist nichts zu sagen: Jesus selbst
ist ja ein Gottesgeschenk � mit ihm kam der Friedenswille in die Welt.
Und auch Jesus wurde beschenkt: Die Weisen aus dem Morgenland gehören
zum Personal jeder Krippe: Gold, Weihrauch und das köstliche Salböl
Myhrre überreichten sie. Sie machten sich viel Mühe, sie kamen
von weither, sie begrüßten den Herrn der Welt, gaben ihm ihr
Pfand: Gut, daß du da bist!
Schenken ist eine der schönsten Begabungen. Mit Leichtigkeit, mit
Anmut dem Anderen eine Freude anrichten, rührt an den Sinn des Lebens.
Als wir Mutter das erste selbstgepflückte Gänseblümchen
überreichten, da ging ihr eine Sonne auf. Noch früher liegt das
aus dem Mund genommene Bonbon: Dies Lachen, dieser Ernst, mit dem das Opfer
getätigt wurde � wieviele Gedanken haben im Kind wohl gekreißt
und brachten diesen Entschluß zur Welt: Was mir schmeckt, schmeckt
Mama auch. Später backten wir oder klebten Kollagen, jedenfalls sollten
die Eltern auch was bekommen. Da war schon ein Ehrdenken bei, auch aus
Fairneß mußten sie auch was haben. Sie sollten auch unsern
Spürsinn bewundern � wir hatten uns gemerkt, was im Haushalt mangelt,
aber immer wieder vergessen war. Und die großzügigen Großeltern,
da mußte was von Herzen kommen, auch wenn man sich dafür anstrengen
mußte. Es ging einfach nicht, daß man ihnen Pralinen kaufte
� aber welche selbst herstellen, machte höchsten Eindruck.
Am liebsten beschenken wir die, die wir am meisten lieben. Das ist wahres
Glück, etwas zu finden, was sie selber sich nicht gönnen, worauf
sie auch gar nicht kämen, weil sie zu bescheiden, vielleicht auch
zu phantasielos sind. Und wie schütten sie sich aus vor Freude. Hoffentlich
sind sie nicht beschämt, weil sie nur maßvoll schenkten. � Jeder
muß in seinem Maß bleiben. Der eine kann sich verschulden �
um den König, die Königin seines Herzens zu krönen, der
andere nicht. Hauptsache es stimmt für mich, für dich. Wir dürfen
nicht vergleichen.
Auch für mich tu ich viel, wenn ich �Brot für die Welt� besorge,
eine nackte Not lindere, dem Bettelnden den Schein zuschiebe. Dem Alten,
der so gern durch Deutschland fährt, ein paar Fahrkarten finanzieren
oder der Aussiedlerfamilie den Fernseher. Das Glück, genug zu haben
� beim Schenken werde ich�s erst gewahr.