Traugott Giesen Kolumne 11.08.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Wenn einem der Hund stirbt
Wem sein Hund stirbt, der stirbt ein Stück
mit. Dieses fremde und doch so verwandte Wesen ist einem ans Herz gewachsen.
Und man wird ganz invalid. Die Augen, diese wissenden Augen bitten: Lass
mich doch gehen; wir sehen uns doch wieder. Zögere nicht zu lange, der
letzte Gang wird ihn in den Frieden lassen. Ganz sicher hat er Zukunft wie
unsere geliebten Toten auch. "Dass die Hündlein und Belferlein wahrhaftig
in den Himmel kommen und dass jede Kreatur eine unsterbliche Seele hat" -
dafür verbürgte sich schon Martin Luther.
Alle Tiere, vor allem aber die Hunde, sind
einzigartige vertrauensbildende Maßnahmen. Sie zeigen uns noch mehr
Leben im Leben, sie beglücken auf ganz intensive Weise: Sie freuen sich
auf unsere Wiederkehr wie verrückt. Diese maßlose Freude, dies
Ausgeliefertsein an ihre Begierde, uns wiederzuhaben, ist fast beschämend.
Wer warst du, ehe du Hund wurdest, möchte man schon manchmal fragen.
Wenn sie im Schlaf von Traumschauern überflutet werden. Und wenn sie
sich strecken , dann ist das so parallel zu uns; auch wenn sie knurren, kommt
man ihnen mal quer. Und wie sie dann, wenn sie Herrchen oder Frauchen angebellt
haben, bei ermahnendem Blick schuldbewusst die Wand anfauchen, als sei ein
Fremder schuld.
Doch, wir wünschen unserem Freund, wenn
er gehen muss, über viele Jahre auch so was wie Heimkehr. Er bereitet
sich auf sein Gehen vor, kehrt sich ja ab von uns Lebenden, zieht sich
zurück, will in Ruhe gelassen werden, will zur Ruhe finden. Möge
er sich doch auch trösten können mit so etwas wie dem Glauben an
eine bessere Zukunft - sonst müssen wir für ihn hoffen, wie er
für uns auch oft genug die Traurigkeit überspielte. Er brachte
doch die Leine, wenn wir uns schon nicht mehr aus dem Haus bequemen wollten,
und er legte sich zu unseren Füßen, wenn wir mit Grübeleien
lange noch aufblieben. Er versteht mich, das weiß man einfach - es
treibt einem die Tränen in die Augen, wenn er seinen Kopf schief stellt,
als wollte er gleich mit einem tröstlichen Wort loslegen.
Sicher ist Tierliebe ein Tick, wenn sie den
Hund gegen Menschen ausspielt. "Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich
die Tiere", soll der Alte Fritz gesagt haben. Er hätte auch sagen
können: "Seit ich mich kenne...". Wir sind ja auch darin begnadet, dass
wir nicht hündisch abhängig sein müssen von Menschen und nicht
läufig sein müssen. Wenn wir die Treue des Hundes verehren, dann
ist doch zu bedenken, dass die Treue des Hundes nicht seinesgleichen gilt,
sondern eben einem Menschen. Glückhaft, das unermüdliche Balgen
und Spielen der Hunde, aber sie bewundern einander nicht. Wenn sie voneinander
los sind, haben sie sich schon vergessen.
Milan Kundera schreibt: "Die Liebe zwischen
Mensch und Hund ist idyllisch. Es ist eine Liebe ohne Konflikte, ohne
herzzerreißende Szenen, ohne Entwicklung." Oder es ist auch
anders.