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Predigt 4. Mai 1997

Keitumer Predigten Traugott Giesen 04.05.1997 Rogate

Psalm 42: Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser.

Römerbrief 8, 11, 14 - 16: Welche der Geist treibt, die sind Gottes Kinder. Ihr habt nicht einen knechtischen Geist, daß ihr euch weiter fürchten müßtet, sondern einen kindhaften, den der Töchter und Söhne - durch den rufen wir: Abba, lieber mütterlicher, väterlicher Grund.

Matthäus 6, 8: Also plappert nicht, euer Vater im Himmel weiß was ihr braucht, ehe ihr ihn bittet.

Sonntag Rogate: Betet - das ist Imperativ, Befehlsform: Ist das nötig?

Ja schon in dem Sinne, wie wir einander drängen: Sprich doch, sprich dich aus; bleib nicht allein mit den Sachen hinter deiner Stirn. So auch ist der Lockruf: Bete doch! schon recht. Im Sinne: Sprich dich aus vor Gott - daß du dir klärst immer wieder, wo du hingehörst: Du kreist in seiner Bahn, du gehörst mit dem Deinen zur Sonne aller Sonnen. Betend also vergewisser ich mich, wo im Getriebe des Lebens ich stehe. Gott weiß, was ich bin und nötig habe. Ihn brauche ich nicht zu informieren, aber mich muß ich informieren, daß ich weiß, Gott weiß.

Wir suchen in allem, worum wir uns bemühen, Zeichen der göttlichen Gunst, Winke seiner Fürsorge, und: Wenn wir ein Leid haben, fragt es in uns: Warum Allmacht, warum Schicksal, warum mir dies? Fühlen wir gute Gefühle, dann sind sie uns goldne Körner für ewiges Glücklichsein, fühlen wir Stachel im Fleisch, sehen wir uns verstoßen. - Diese Weite, dieser Horizont, diese Ewigkeitsvision ist wohl das Wundersamste unserer Seele - es ist ein Durst in uns, doch bestätigt und ausgezeichnet zu werden als wichtig. Wie die kleine Tochter sich verzehrt, vom Vater auf den Arm genommen zu werden, wie der kleine Junge Mutters Liebster sein will, dieses Sehnen wird erwachsen und zielt dann weit über die kindliche Anhänglichkeit hin zum Herz der Welt.

Wie ein Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele schreit zu Gott, dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahinkommen, daß ich sein Angesicht schaue? fragt der Betende der Bibel. Und hält sich seine ewige Würde vor Augen - nicht Zerfall der Atome steht bevor sondern Gekröntwerden mit Gnade (Psalm 103, 4).

Mit dieser Widmung leben, hieße wissen, daß unser Gieren und Drängen immer magnetisches Gezogenwerden ist von ihm, der Heimat aller Menschen. Auch unser Streben nach Macht und Besitz zielt weiter als auf Bewunderung durch Menschen hin. Im Innersten aller Kreatur verborgen ist er das Herz der Welt, ihm wollen wir uns nähern, auf welchen Wegen und Holzwegen auch immer. Der Große Ganze ist längst im Gespräch mit uns - aber wir merken es nur in Sternstunden. Da ich noch nicht geboren war, da warst du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt erkoren - eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir gedacht, wie ich dein sollte werden. -

Beten ist dieses Bestärktwerden in der Gottesverwandtschaft, darum auch Kirche, Gottesdienst, gemeinsame Zeichen tauschen, gegenseitig erinnern an den besten Kundschafter des Glaubens, Jesus, - aber auch erinnern an eigene Einschätzungen; z.B. was Walt Whitman sagte: "An jeder Straßenecke finde ich Briefe Gottes - das grüne Gras ist ein duftendes Taschentuch Gottes mit seinen Initialen, das er fallengelassen hat, um uns an ihn zu erinnern". Und wir sind auch Zeichen, Bilder, Signale Gottes - wenn wir einem Menschen ins Gesicht schauen und er schenkt uns ein Lächeln, dann befeuert er unsere Gewißheit: Ich bin doch geschickt, bin ein Wesen, in dem sich Freudevolles abdrückt. Darum ist Grüßen wichtig, besuchen, beschenken, stärken, lieben - weil es das Glanzvolle, das Kostbare in einem jeden schätzt und hochhält: Du bist ein Hauch Gottes Glück. Du bist vom Himmel, du gibst meiner Seele Nahrung, doch zum Guten zu gehören. Weil wir eben auch Boten Gottes sind, ist es höchst riskant, einen Bittenden abzuweisen, an dem in Not vorüberzufahren, denn wie verzerrt zeigt sich dann in unserm griesgrämigen, abweisenden Gesicht Gottes Antlitz? Daß wir unser Schuldigbleiben wenigstens noch merken, zeigt: Der Gültige ist noch im Gespräch mit mir.

Ja, bei Gewissensbissen kreist der Redestrom mächtig. Aber wir reden uns dauernd mit Gott zusammen - auch wenn wir mit andern telefonieren, wir brauchen Schwärme von Bejahung. Ob wir beim Golf gut einlochen oder unsere Gäste zufriedenstellen, daß sie auch ein rechtes Trinkgeld springen lassen, ob wir gut verkaufen oder eine Aha-Aktion schaffen und die Kinder haben was kapiert, oder der Patient kann von der Intensivstation - darin ernten wir uns Bejahekraft vom Grund der Welt. Uns umarmt ein geliebter Mensch. Dieses Spürenmachen - du gut, du wunderbar - ist Gottes Spur. Und wenn uns der wichtige Liebende abhanden kommt, dann geht uns dies von weit herkommende Bejahen verloren; eine Existenzkrise bricht über uns herein: Denn der Andere ist ja hindurchscheinend für Gott. Und andersrum kann ich meinen, mir geht die Welt unter, weil der eine Mensch mich nicht mehr will. Dann spätestens beten wir ja wieder, werden vielleicht hingetragen zur Bitte: "Gott, komm in neuen Kleidern wieder".

Weil wir einander Prismen Gottes sind und Blinde Flecken für ihn, darum redet die Seelenfrequenz in uns immer mit. Aber der Alltag überrauscht oft sein Flüstern - und dann jagen wir an falschen Orten nach Sternstaub, Segen, Kraft von oben.

Es ist ein Jammer, wie diese ewige Stimme uns übertönt wird. Wenn wir nur noch auf Gelüst und Angst programmiert würden, auf Siegen oder Untergehen - Erfolg oder Habenichtse. Wenn Menschen verzweckt werden sollen, muß man ihnen das Lauschen aufs Ewige austreiben. Wenn wir Kinder schon früh auf Markentreue abrichten, ihnen vorspielen, daß Kinder ohne diese Klamotten, ohne Geburtstag bei Mc Soundso nicht als Freunde in Frage kommen - und wenn in Talk-Shows Fragemeister immer schamloser die Mitmachenden bedrängen, ihr Innerstes nach außen zu kehren, nur damit unsere Schlüssellochgier bedient wird und wir damit die Quote erhöhen - und wenn wir die Dinge zu uns nicht mehr sprechen lassen, wenn wir einer Kuh nie mehr ins Auge schauen, sie uns nur als fernes Milch- und Fleischlager erscheint - und wenn wir auch das Miteinanderreden verlernten, dann käme uns auch das Ewige abhanden.

Wie so manche Beerdigungen heute schon ablaufen ohne liebes Wort, ohne Gebet, ohne Grab; wie Eheschließungen abgehandelt werden zwischen zwei Terminen, ohne Öffentlichkeit, ohne Zeichen, sprachlos - das Religiöse kommt einfach nicht mehr vor - die Bindungen werden privat und banal. Menschen vereinsamen und lassen allein. Wo ist da noch Gebet? Jammer der Leere breitet sich aus.

Andererseits: Quasireligiöse Bilder bei den Festen dieser Zeit : Fußball - die einen kämpfen, bekreuzigen sich, küssen den Boden, verschwören sich als ging es in die Schlacht von Gut und Böse; die Zuschauer feiern "Gott ist ein Schalker", da gibt es die letzten Volkslieder, Lieder wie Gebete; das Ganze eine Bestärkung sondergleichen, das Leben sei gut.

Oder die Pop-Idole in Stadien: Lautsprecherwände wie Babylonische Türme - Lebensfreude in Riesenlautstärke und die Menschen entzünden Kerzen, Feuerzeuge, Wunderkerzen, weinen vor Inbrunst - verstecken darin eine Art Beten - eine Sehnsucht nach Verschwisterung, nach Befreundung, nach Gemeinde.

Wo immer geseufzt und gejauchzt wird, da ist auch der letzte Grund gemeint. Da, in Dank und Klage schreien wir zum Mittelpunkt der Welt, in dem Wissen: Das ist kein schwarzes Loch sondern der/die/das Große Liebende.

Wenn wir trinken, atmen, gehen, wenn wir eine Hand ausstrecken und sie tatsächlich hinlangt - ist das auch Beten. Daß uns der Körper noch dient, die Sonne wärmt noch wieder, ein Gespräch gelingt - das wunderbare Normale ist in seiner Gottesfülle gar nicht auszuschöpfen. Auch unser Arbeiten ist doch ein Verwandeln von Energie, ist ein glühendes Umschmelzen von Gedanken, Waren, Informationen - ist eine Phase Allmacht in Aktion - und du darfst sagen: Du bist dabeigewesen.

Dem Glühen und Werden und Wandeln wohnt Gott inne. Das müssen nicht alle Menschen jederzeit wissen. - Man hat dafür Priester freigestellt, das heilige Feuer zu hüten, die Heiligen Texte zu sprechen. - Aber Töchter, Söhne brauchen keine Notare zwischen sich und Gott. Vielleicht beten heute mehr Menschen bewußt als je zuvor. Nicht gestanzte Litaneien, aber ein Summen, ein In-Zwiesprache-sein. Dies schwingende Danken und diese Schwermut über Verzweiflung ist doch bei uns - wir merken doch, daß unsere Person sich nährt von Worten, die mit Gott schwanger sind - Worte, die den Weltgrund fühlen lassen.

Worte, die auch erreden, was fehlt. Unsere Wunschkraft ist eine Gabe, die Zusammenhängen bewirkt, Vernetzungen besorgt. Die Mutter singt ihr Kind in den Schlaf - und macht damit aus der Nacht Freundesland. - Beten macht aus uns "Glaubenichtse" (Ernst Penzold) Fackelträger, die Zukunft ausleuchten als Chancenland. Betend ummantelt sich mein Herz, daß ich nicht im Zugwind der Meinungen verwehe, sondern in Gott ankere.

Beten benutzt Sprache, Sprache klebt Namen an Sachen und Gefühle; Worte können Sachen und Gefühle aufrufen, uns vor Augen stellen. Worte können Taten verbinden: "Sie küßten und sie schlugen ihn" - dieser Filmtitel fädelt "schlagen" und "küssen" auf einen Faden, macht das Verschiedene doch zugehörig. So auch das Beten in Worten - es heftet an Gott, was sonst vagabundiert; betend halte ich mich zugehörig, und für andere betend - weiß ich uns verwandt, und lasse mich zuwenden. Amen.


 




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