Predigt 25. Dezember 2002
Keitumer Predigten Traugott Giesen 25.12.2002
Weihnachten
Ein bisschen hat der Dichter dieses Liedes (EG 36,9) auch diesen Augenblick
im Blick: Mit vollen Händen sollen wir das Gold des Glaubens schaufeln
können- gerade auch aus diesem Wort: johannes-Evangelium 1. Kapitel,
wohl der gewaltigste Text der Christenheit, gerade recht für den Ersten
Weihnachtstag, für uns christliche Elite, während andere noch schlafen-
es sei ihnen gegönnt:
Im Anfang war das Wort, da steht en arche´, - nicht wie
beim Wettrennen, wo man dann den Start hinter sich hat, sondern gemeint ist
der Ursprung, origo , also woraus es im Ursprung kommt, im Original entspringt.
Woraus alles herstammt, das ist noch immer bei uns, wie im alten Baum, der
Setzling des Baumes immer noch im untersten Gewölle der Wurzeln mit
ist, immer noch da. Und in uns je älter wir werden ist ja auch der
Säugling noch bei uns, noch sehr lebendig, jedenfalls von Zeit zu Zeit.
Im Anfang, im Ursprung war das Wort- Goethes Faust sagt ja, er könne
das Wort unmöglich so hoch schätzen und setzt statt dessen: am
Anfang war die Tat; Aber logos, was hier im Anfang war, ist voller
Rat und Tat, ist kein trockener Wortspreu, sondern ist geballter
logos, was auch das griechische Wort für Geist
ist.
Mir hilft es immer wieder zu wissen, dass am Anfang der Geist war, am Anfang
war der Wille, dass etwas werde, also vor der Materie, die Idee vor den Sachen
der Gedanke. Also auch
vor mir und dir die Idee von mir und dir, die
Vision Gottes von mir und dir. Was für eine Zusage: du, ich gewollt.
Dieses Wort ist bei Gott und Gott ist das Wort. Warum ist dass so
auseinander gehalten und fällt doch zusammen? Gott ist sein Wille, aber
sein Wille ist bei ihm, dann ist er also noch mehr als sein Wille, auch sein
Unwille- kann man das denken? Etwa als der Schatten seines Willens? Einmal
heißt es in der Bibel, Der dich behütet, schläft
nicht(Psalm 121,3), sonst wäre ja alles viel leichter zu
erklären. Manchmal klagen die Psalmen, wo ist er hingegangen, warum
ist er nicht hier? Noch bitten wir darum, dass sein Wille geschehe- noch
passiert viel gegen Gottes Willen, also im Schatten seines Willens, also
in Gottes Unwillen? Aber Gott und sein Wille ist ganz nah beieinander, ist
für uns doch wohl identisch. Und doch mag ein Stückchen Differenz
dazwischen sein, vielleicht ist Gott mehr als sein Wille; Sagte nicht Rilke:
Zu Gott gehören auch seine unentdeckten Träume, die
noch Wille werden wollen.
Vielleicht ist da auch ein Spalt für uns Menschen frei gehalten, dass
Gott ein Stückchen seines Willens in uns hinein verpackt. Vor allem
ist mir wichtig, dass mit dem Am Anfang war das Wort klar ist,
dass am Anfang der Wille zur Gemeinschaft steht. Wort heißt ja Verstehen-
und Verstandenwerdenwollen, heißt: Sich ausdrücken wollen,
heißt: Übersetzen wollen hinüber in ein anderes geistvolles
Gebilde, das mich wahrnimmt. Am Anfang war das Wort, möchte
ich gern mal übersetzen in unsern modernen Zeiten mit Am Anfang
ist Kommunikation, darin steckt Kommunion, Kommunio - Gemeinschaft,
ein altes Wort für Abendmahl. Kommune, das was wir gemeinsam bauen und
miteinander teilen.
Der Kern Gottes ist Hinübersetzen zum anderen. Vielleicht ist das der
Kern, warum die Welt ist, weil Gott hinübersetzen will, verstanden werden
will, verstehen will, sich mitteilen will, darum will er, braucht er ein
Gegenüber. Dann ist es auch völlig einsichtig, dass diese
Schöpfung nicht zielt auf das fröhlich findige Tier, den Affen,
sondern darüber hinaus entwickelte Gott sich möglicherweise aus
Affen-Generationen eine partnerfähige Kreatur, mit der er reden kann.
Wenn Gott Wort ist, also (auch) Kommunikation, auch Wille, verstanden zu
werden, dann ist das Wichtigste für Gott nicht, dass was ihm pariert,
das könnte er ja auch vom Hund kriegen, nun ja es kommt auf die Sorten
an. Auch nicht reicht es Gott, dass ihm ein Wesen gehorcht, sondern Gott
will mit Anderem über sich reden, will, mit dem anderen sich erkennen,
im anderen sich wiederfinden.
Daraus kann man einen ganzen Mythos machen, was Thomas Mann so zauberhaft
geschafft hat mit Joseph und seinen Brüdern, wo tatsächlich Gott
beschrieben wird als einer der dem Josef zuguckt, der tief im Brunnen sitzt,
völlig verlassen von aller Welt, aber über sich die Sterne sieht
und jetzt meditiert, ob das das Ende ist, oder ob das der Anfang von so was
wie Auferstehung ist, es kann nicht sein, dass er Gottes geliebter Mensch
ist und so zu Ende gehen soll. Dass kann nicht sein und da wird beschrieben,
so habe ich es noch in Erinnerung, wie Gott sich die Fingerspitzen küsst,
der ist doch ein Wunder, ich beginne mich für ihn zu interessieren,
wie er mich versteht, vielleicht weiß er mehr von mir, als ich von
mir.
Das ist natürlich hoch vom Menschen gedacht, aber es ist die Erfahrung
der Liebe, die hier auf Gott übertragen wird, das Glück wahrzunehmen,
dass ich den anderen verstehe und er mich und dass es manchmal keiner Worte
bedarf um einer intensiven Zugehörigkeit in diesem Augenblick Gestalt
zu geben. Gott will den Menschen, um ihm den Himmel aufzuschließen,
um mit ihm ein Gemeinsames zu bauen, Reich Gottes. Wo Fried und Freude lacht,
wie es in einem anderen wunderschönen Kirchenlied heiß. Johannes
sagt, alle Dinge sind durch das Wort gemacht, sind durch diesen Willen, sich
mitzuteilen gemacht. Alle Dinge sind also letztlich Mitteilung.
Man wundert sich ja, wenn man Gedichte gerne liest, dass sicher die Hälfte
aller Gedichte Naturbeschreibungen sind- das hat wohl damit zu tun, dass
tatsächlich die Bäume und die Blumen Botschaften haben, jedenfalls
für den, der Blumenohren hat und Dichter haben ja manchmal solche
hellhörigen Empfindungen. Es gibt also Dinge, da können auch wir
schlicht gestrickten Menschen, die wir ja auch noch sehr nah an den Dingen
sind und wohl vom Geist Gottes angehaucht sind, aber nicht Geist Gottes sind,
können doch zuweilen solche Signale aus der Natur nehmen als Mitteilungen,
als Botschaften. Das Meer, die Wolken, der Wald- der Holzhändler sieht
den Wald nicht als Botschaft für Tod und Auferstehung sondern als
Materiallager- aber vielleicht unterschätzen wir den Holzhändler
doch und er weiß mehr als nur den Preis.(Ich weiß nicht,
was ein Reis ist, ich weiß nur was ein Preis ist; das ist eine
andere Geschichte, die vom guten Mensch von Sezuan (B. Brecht).
Zurück- Alle Dinge sind durch das Mitteilen Wollen Gottes gemacht und
in diesem Willen mitzuteilen, sich mitzuteilen, was teilt den Gott mit, dadurch
dass Stein ist, dass Wolke ist, Wasser ist. Man kann da ganz viel
Naturphilosophie raus lesen wollen, lasst es uns jetzt genug sein, bei diesem
Gedanken, dass darin Mitteilungen Gottes sind, in dem Willen mitzuteilen
ist das Leben. Anders: Leben ist der Wille Gottes, von sich etwas abzugeben.
Zu seinem Willen gehört auch Befehl. Das Gesetz ist durch Mose gegeben;
es ist nötig, wichtig, aber Gnade und Wahrheit stehen auf einem anderen
Blatt, sie sind durch Christus gekommen. Die Natur ist ja vollständiges
Gehorchen, perfekter Gehorsam, Ablauf von Ursache und Wirkung ohne irgendeine
Form von Freiheit. Das ist die Basis unseres irdischen Daseins, unser
Körperliches ist gehorchende Materie. Aber wir wollen Freiheit.. Die
Freiheit kommt davon, das Gott selber die Erde annimmt, Erde wird, Körper
wird, Fleisch wird, Blut wird und jetzt uns einräumt, was eigentlich
schon seit Adam und Eva von Ur an angedacht war, aber was jetzt erst gelingt,
nämlich diese Zuversicht, zu wissen: Ich gehöre Gott und darum
weil ich Gott gehöre und ihm nachgebaut bin, von Angesicht zu Angesicht
mich verstehen soll, nicht dadurch, dass ich einen Baum angucke oder dadurch,
dass ich eine Ziege angucke, sondern dadurch, dass ich glauben darf, ich
sei eine Imagination, ein Imago, ein Bild von Gott selber, das Gott sich
vorstellt und ich bin ein Entwurf seiner Vorstellung. Da ist der Spielraum
gegenüber Natur und Pflicht und Zwang und Gesetz eingeräumt vo
Gott und seinem Zwischenträger Christus.
Jesus hat diesen Spielraum erkannt, und er hat ihn gelebt, er hat ihn mit
Liebe gelebt, er hat dem Leben in der Nähe Gottes Gestalt gegeben und
mit diesem Jesus kann man von der Gnade und der Wahrheit schon jetzt ein
Stückchen schöpfen. Wir sahen seine Herrlichkeit - das ist ja genommen
auch von dem Bild der völligen Glückserfahrung: Die Urchristengemeinde
sahen eine vollkommene Beziehung zwischen Gott und Mensch - nämlich
eben Vater-Sohn. Heute würden wir nicht mehr das Bild Vater-Sohn nehmen
, heute würden wir Mann und Frau nehmen, das liebende Paar, aber damals
war Vater-Sohn das Identischste was vorstellbar war.
Der Jesus kann das Leid annehmen, fragt Gott: Warum und trotzdem
sagt er auch: In deine Hände befehle ich meinen Geist. Jesus
erlebt die Differenz zwischen Gott und dem Willen Gottes. Jesus lebt diese
Spannung, hält sie aus, hält den Liebenden Vater und den verborgenen
Gott mit seinem Vertrauen zusammen. Er steht für das Zusammen beider
Wirkweisen oder Erscheinungen Gottes ein. Die dunkle Seite Gottes wird (auch)
beschattet vom Menschen, der seine von Gott eingeräumte Freiheit gegen
ihm verwendet, ihn verdunkelt. Gott hat die Menschen so mächtig gemacht,
so mächtig, dass sie sich als Gegenspieler Gottes aufwerfen können,
weil er sie ja als Partner will aus freien Stücken. Darum müssen
sie die Wahl haben, also die Möglichkeit, ihm ins Angesicht Nein zu
sagen. Zum Willen Gottes, der Kommunikation ist- also im Kern : Verbundenheit
in Freiheit- also Liebe- gehört wohl als Schatten, eben das Brüchige
der Kooperation mit dem Menschen. Und seitdem fällt Gott und der Wille
Gottes ein Stück auseinander, aber Jesus kann beides festhalten. Dein
Wille geschehe, das ist eine Bitte! Dein Wille geschehe bei mir, Gott
helfe mir, dass dein Wille durch mich geschieht, ich fliehe in deine Hand,
ich glaube mich in deine Hand, ich kann nicht tiefer fallen, in den Abgrund
namens Du.
Daraus entspringt für uns ein Hauch Erfahrung von Gnade und Wahrheit.
Aber das fordert jetzt viele Predigten für den Alltag und heute ist
Weihnachten.