L e b e n s m u t
 
Herzlich willkommen auf der Homepage von Traugott Giesen, ehem. Pastor in Keitum auf Sylt!

Aktuelles

Predigten
Kolumnen
Bibelenergie
Tägliche Losung
Gastpredigten
 

Archiv

Nachhören
Archiv Predigten
Archiv Kolumnen
Themenverzeichnis
Weitere Texte
Bibelstellen
Aufgelesenes
 

Informationen

Bücher
Links
 

Kontakt
Emailkontakt
Webmaster
Gästebuch
Impressum

Besucher seit
12.03.2001
0960929

Keitumer Predigten   Traugott Giesen   06.10.2002

Gott sei Dank! (Römerbrief 6,17)

Diese Wortmünze ist ziemlich abgegriffen, - und doch: scheinbar nur so dahingesagt, läßt sie Sinn aufleuchten. Da redet man sich irgendwelche Zusammenhänge zurecht, ganz an der Oberfläche, sachlich, lückenlose Realität, und dann so was: „Gott sei Dank“ - die Goldmünze unter Nickelgeld, Gott sei Dank -da hüpft die Seele auf die Zunge, da offenbart sich das Gedächtnis des Herzens.

Ich mag Kirche vor allem, weil sie Dank einspeist in den Alltag, ja, unser Leben deutet als Segensfeld, das wir nur mit Ehrerbietung und Dank begehen können. Liebevoll nimmt Kirche den neuen Erdenbürger in die Menschheitsfamilie auf; leitet auf den mühsamen Weg des Erwachsenwerdens; hilft Liebenden, sich von Gott anvertrauen zu lassen; und sagt für den Toten: „Komm gut heim“. Kirche hütet das Grundwissen der Menschlichkeit: Wir sind nicht Gott und nicht Unsinn, sondern sind „Erde voll Sehnsucht“, sind Irdisches mit viel Himmel im Kopf. Ein Fest besonders hält die Verbindung zwischen oben und unten, zeigt geradezu Gott zum Anfassen, stellt das Leben als Segensfeld dar. Und nimmt uns von der besten Seite: als dankbar.

Der Altar ist auch von dir mitgeschmückt. In andern Gemeinden ist der Kindergarten nah dran, da schmücken die Erzieherinnen mit Pastor/Pastorin und Kindern und Eltern; oder wo Landwirtschaft floriert, da schmücken die Landfrauen, aber in unserer stark von Gästen geprägten Gemeinde hätten wir uns gestern treffen müssen, na - unser Kirchwart Volquardsen und eine Blumenspezialistin haben uns geholfen - unsern Dank zu zeigen. Da lodern die feurigen Herbstblumen, da prangen Kürbisse und Kohl, ein Sack Kartoffeln steht still. Und Äpfel, Möhren, Birnen liegen kunstvoll ausgebreitet. Oben auf dem Altar liegen Brot und Wein: Brot steht für Kalorien, Wein für die Freude, Gemeinschaft, Liebe. In Brot und Wein ist Gottes „Fürunsdasein“ so handfest verstofflicht - und in den Blumen.

Und ein Bogen Papier steht da - Platz für je den eigenen Dank. Beam deine Gedanken hin. Denk nach jetzt, schreib deine Liste der Dankbarkeiten…. Was würde das Gedächtnis deines Herzens gern zum Himmel heben? Jedenfalls weist du von dir weg: Du hast dich nicht sellbst geschaffen und deinen Nächsten auch nicht, auch deine Freudenbegabung nicht, deine Talente. Du dankst und sagst damit: Ich hab viel empfangen, wieder glückte viel, auch mein Können und Wollen ist Geschenk: Meine hinreichende Gesundheit und meine meist heitere Seele; meine Lust, doch wieder einzusteigen in den Tag, und wieder Nützliches zu machen.

Ja, Dank dir; dir mir oft verborgener lieber Gott, oder wie du auch heißt, du Herz des Lebens, du Hirn des Seins, Dank für Zugehören und Lieben, Dank für Gemochtwerden, Dank dafür, dass ich gerne "Ich" bin, meist jedenfalls, und dass ich nicht dauernd mit mir rumschleppen muß, sondern einigermaßen klarkomme; Dank für einigermaßen wache Vorsicht und dass ich die Mitmenschen ziemlich mag, sie jedenfalls nicht für dümmer halte, als mich selber.

In meine, deine Liste der Dankbarkeiten gehören auch Kinder, Bäume, Hunde, Bücher, intelligente Zeitungen, ein Auto - mit Schiebedach, gut in diesem langen Sommer. Dank für Retter in der Not und Völkerfrieden, dass es so was wie die UNO gibt und „Brot für die Welt“. Und Musik und Fernsehen und Computer, die schnell zur Verfügung stellen das Wissen der Welt.

Dank auch, dass ich die Niederschläge hinnehmen konnte als Auszeit, um tief durchzuatmen und neu zu sortieren. Wir brauchen nicht danken fürs Schwere - obwohl: unnachahmlich sagte das eine Frau im Gesprächsabend: „Durch eine schwere Krankheit wurde ich vor Schlimmerem bewahrt“. Im Nachhinein kann uns geschenkt sein, dass wir uns erleben als die, die durch das Leid andere geworden sind, und wir konnten diese Verwandlung auch hinnehmen, das Leid blieb nicht beständiges Leid, es rückte mit der Zeit aus dem Mittelpunkt. Dafür danken, dass du nicht gebannt bliebest, sondern langsam in ein anderes Sein getragen wurdest, es kam dich teuer zu stehen, und doch kommst du jetzt mit dir aus. Der, die du geworden bist, möchtest dich nicht missen, dich verwandelten Menschen. Jetzt, wo du „wie geschält zwischen den Dingen stehst“( R. Musil), erinnerst du eine unterirdische und unirdische Kraft in dir: du wurdest in den Leiden vor dem Sturz in die Finsternis bewahrt. Eine immerwährende kleine Flamme ist in dir: Die Freude zu sein.

Also diese Flamme Sein, gern Du sein, hiersein, muß mit auf den Altar.

Und Dank fürs Glücklichsein können. Es gibt andere Zeiten, da steht Leid an und muß durchgestanden werden; da steht Schufterei und Prüfungen an, die müssen bestanden werden. Es gibt Zeiten, da müssen wir durch. Und dann kommt das Nächste, da müssen wir auch durch. Und dann ist da nichts von Glück, dann ist nur Schmerz und bestenfalls einer, der mit unter dem Joch ist, und dem man nichts erklären muß, und dann vielleicht ein paar Stunden Schlaf, und dann weiter. Und die Schwärze, hilflos ersticken und Eltern, die alleinlassen mussten, es ist zum Heulen, so viel Leid in der Welt. Auch der monströse Gedanke an Krieg, wenn auch nur als Druckmittel angedroht, macht alles denkbar und rückt uns in Vorkriegszeiten.- Die leere Seite am Altar hat auch Platz für die Klage. Die schlechten Ernten sind auch Gottes Ernten, die Täter und die Opfer sind auch Gottes Menschen, die mit Krieg fuchteln sind Gott vorzuhalten. Der letzte Grund für Dank und Klage ist Gott, die Ursache von allem.- Jeder Morgen, wenn du die Zeitung öffnest, wirst du Zeuge, wie sich Gott einen Berg von Leid auflegt. Wir weinen nicht ins Leere und weinen nicht allein.

Aber es gibt auch andere Zeiten, Zeiten für die wir eigentlich gemacht sind, nicht für Leid und Geschrei und Tränen und Schmerz, sondern für Zeiten der Freude, Zeiten des Glücks. „Gott loben, das ist unser Amt.“ Das Loben muß aus dem Leben entspringen, es ist natürlich, ist Echo des Wirklichen, ist wie das freudige Wiehern des Pferdes, wenn seine Reiterin mit der großen Portion Möhren kommt. Loben ist nicht höfliche Verabredung und Erziehung, sondern das Behagen beim guten Wein oder beim guten Film oder bei der glückenden Umarmung. Loben ist nichts zusätzliches, sondern ist das Merken des Glücks, das Merken des Beschenktseins, loben ist Danken fürs Glücken. „Salut gen Himmel“ eben fürs Hierseindürfen und dies Merkenkönnen, es bewusst wissen können: gut zu leben, gut, du, ich zu sein, gewollt, beschenkt, geliebt, gebraucht.

Wir sind verpflichtet glücklich zu sein, in den alltäglichen Zeiten.

Ja, es gibt auch andere, - aber dankbar sein, glücklich sein, ist Pflicht, „wenn die Umstände erträglich sind und die Bitternis des Lebens sich auf Kleinigkeiten beschränkt“ (Alain).- Darum Erntedank auch der Tag, an dem ich Abbitte tue für Mäkeln und Jammern, für Michbeschweren und Vermiesen, für Runterziehen und schlechte Stimmung verbreiten, die sich gern was vorspielen lassen, um zensieren und schmollen zu können. Dank dagegen für alles hochgemute Auf-die-Zähne-Beißen, fürs Freude machen, fürs Anstiften zum Lachen, für die, die ein Licht anzünde, statt über die Dunkelheit zu schimpfen, die einen Tanz veranstalten statt übers Wetter zu mähren.

Wenn du über dich nachdenkst, hast du eigentlich viel zu beanstanden? Im Ernst, hast du viel zu meckern? Jossel kam zum Rabbi: "Ach, Rabbi, Verehrter, ich hab es so schwer, zu sechst hausen wir in einem Zimmer, Mann, Frau, zwei Kinder und Schwiegereltern, den ganzen Tag eine Unruhe, und die Nacht, ein Gewoge, es ist nicht auszuhalten. Gib mir einen Rat vom Allmächtigen". "Ja, tu folgendes, Jossel: Du hast doch einen Ziegenbock draußen im Garten, den hole ins Haus, ins Zimmer, dem einzigen". "Was, den Bock dazu"? "Tu, was ich dir sage, 14 Tage, dann kommst du wieder."

Nach vierzehn Tagen kam er wieder. "Na wie ist es"? "Fürchterlich, nicht auszuhalten". "Dann tu den Bock wieder in den Garten. Und nach vierzehn Tagen kommst du wieder". Nach vierzehn Tagen kam Jossel und fiel auf die Knie und küsste dem Rabbi die Hände: "Schön haben wir's zu sechst in einem Raum, ohne den Bock. Oh, haben wir es gut. Gott sei's gedankt".-

Nach dieser Geschichte könnte unsere Dankliste noch voller werden. Amen.

Schlußgebet


 




Service

Startseite
Druckvorschau

Presse-Feed EKD

© 1996-2024 Evangelische Kirche in Deutschland
Weitere News...  

 
Online 9