Keitumer Predigten Traugott
Giesen 26.05.2002
Trinitatis
Psalm 104 und Apostelgeschichte 17
Heute steht im christlichen Kalender Trinitatis - Deifaltigkeitssonntag,
ehemals höchster Feiertag, weil Höchstes zu feiern und bedenken
sei: die Wunderbarkeit, die Unausmeßbarkeit, die Grandiosität
Gottes.- An allen andern Feiertagen galt, gilt es, seine Wohltaten zu feiern,
aber an Trinitatis soll die Heiligkeit seiner selbst leuchten. Dazu bin ich
aber zu klein und wäre schon zufrieden, einige Spuren rauszubringen.
Immer schien der Mensch sich ziemlich dürftig
zu fühlen vor dem großen Gott, - ließ darum lieber die Musik
sprechen oder inszenierte Olympische Spiele oder baute Dome oder errichtete
Königreiche, ihm zu Ehren, angeblich. Es gibt da eine Karikatur im
Simplizissimus, wohl 1912: Kaiser Wilhelm II, mit Söhnen und Tross
gestochenen Schritts zur Kirche, die Bildunterschrift lautet: "Die
Allerhöchsten auf dem Wege, den Höchsten zu Ehren."
Vielleicht verstehen wir Gott so wenig wie ein Floh den Menschen, von dem
er gerade nascht. Vielleicht sollten wir uns damit zufrieden geben, sein
Werk, die Schöpfung, immer genussfreudiger zu nutzen. Dann wären
die Wissenschaftler, die sich tief in die Natur versenken, die mit Gott am
meisten Beschäftigten; und die Mütter warten seine Heiligkeit am
innigsten, weil sie Gottes Kinder an der Brust haben; und die Liebenden lassen
sich Gott am meisten nahe gehen, sie hauchen sich ja seinen Atem ein. Und
die Barmherzigen gehen unmittelbar mit Gott um: Sie speisen, besuchen,
trösten Ihn, wenn sie sich eines Fremden in Not erbarmen - das sagt
doch Jesus: "Was ihr getan habt einem dieser meiner geringsten Brüder
und Schwestern, das habt ihr mir getan" (Matthäus 25, 40).
Auch dich selbst mögen, mich selbst annehmen
als einmaligen Wurf aus dem Schatz seiner Energien, unser Auftrag? Also nicht
Gott erkennen ist uns geboten, nicht seine Heiligkeit pur schauen wollen,
sondern sein Werk merken und mitmachen - also Staunen, Danken, Gutes Tun
ist die uns gebotene Weise, Gott zu ehren. Es genügt Gott zu lieben
- wir brauchen ihn nicht zu verstehen. Ist das so, in etwa? Ich frage mich
oft, ob wir Gott denken müssen. Ist es nicht Dünkel? Tu, was Gott
dir ins Herz schreibt, dann weißt du genug von ihm.- So lauten die
Worte der Weisen. Tu das Richtige, zerbrich dir nicht seinen Kopf.-
Aber Gott erkennen, ist doch wichtig. Was für ein Bild wir uns vom Menschen
machen, hängt daran, mit wem wir uns vergleichen. Vergleichen wir uns
miteinander, kommt's auf Oberweiten oder Bizepsumfänge oder
Intelligenzquotienten an, oder auf Kontostände oder schöne
Frätzchen - doch das kann es nicht sein; das ist Samsara, Tand, - ist
das Gebilde von Menschenhand. Unser Leben ist wie Gras, der Wind geht
darüber hin und ihre Stätte kennet sie nicht mehr (Psalm 103,16).
Oder wir verehren den Mächtigsten der Horde und machen uns zu seinen
kreischenden Lakeien; oder wir denken nur biologisch, dann ist ein kleines
Krabbeltier wohl das Vorbild, weil es fast unbedürftig ist.
Die Anfänge von Menschbewusstsein hängen an Sehnsucht nach einem
Über-uns-hinaus. Die Felszeichnungen in den Höhlen von Altamira
zeigen Ehrfurcht vor dem Geist der großen Tiere, - mit diesem höheren
Wesen suchten unsere Vorfahren sich zu verständigen, um die Genehmigung
auf Tötung eines Tieres zu erlangen; hier liegt der Ursprung des
menschlichen Ahnens: Ein großer Geist gibt uns die Schöpfung in
Gebrauch. Und auch schon früh der Gedanke, für mehr als Überleben
da zu sein, vielleicht früh die Idee, jenes höhere Wesen brauche
Anerkennung, bedürfe der Ehre, des Dankes, der schönen Geschenke,
so was wie Gott brauche den Menschen zwecks Wahrnehmung. Daß einer
dankt, dafür sei der Mensch da, lernt er. Und im Bund mit einem
Allerhöchsten entwickelt der Mensch immer komplexere Bedürfnisse,
die er der Schöpfung abzuringen lernt. Aber der Mensch bleibt
Mängelwesen, muß Blößen verdecken, muß sich
schmücken, will Ergänzung über den Tod hinaus. Und weil einer
bestimmt: "Die Rache ist mein", können wir vielleicht vergeben. Sicher
ist der Mensch Mensch geworden durch seine Religion. Wie er sich Gott vorstellte,
so wurde er selbst.
Das inspirierte Bild des Michelangelo von der
Erschaffung Adams hat die Vorstellung des Menschen von sich selbst geprägt
wie wohl keines sonst, - der schlaffe Erdenkloss belebt sich von Fingerkuppe
zu Fingerkuppe, göttliche Kräfte strömen hinüber und
richten den Kloß her zum Sohn Gottes. Die prägendste Gestalt war
Jesus, neben Buddah, Mohamed, Archill, Ramses, Sokrates, Moses und anderen
Heroen. Jesus sprach Gott an: "Mein Vater" - sprach uns an als Brüder
und Schwestern, versprach uns seinen Geist, Gottes Energie. Mir jedenfalls,
ich bitte darum, ist Gott Schöpfer und Freund des Lebens, ich habe kein
Bild von ihm, glaube, daß er eins hat von mir. Ja, ich glaube an Gott,
aber was weiß ich, was Glaube ist. Ich weiß nur, daß Gott
an mich glaubt und an dich. Ja, ich rede zu Gott. Ich nehme, was ist als
seine Antwort. Die mich wiederum antreibt, mit dem, was ist, hinzukommen
und auch Schwieriges mitzutragen, was wiederum Frage an Gott ist, wie es
jetzt weitergeht.
Aber er geht weiter mit uns, er redet mit uns.
Ja, wer ist Gott? Das, was weitergeht, das uns trägt, das uns hört,
das uns sein lässt. Gott Schöpfer, Gott Freund, Gott, heiliger
Geist. Drei Rollen, wie er für uns da ist. Wie er bei sich ist, geht
uns doch nichts an. Die Schöpfung: sein Werk und die Geschichte auf
dieser kleinen Erde mit viel Leid und doch überquellend an Freude, -
das Leben, ist seine Wirkung. Und ich darf dabei sein, darf noch hier sein
auf dieser schönen armen Erde. Manchmal hilft es mir, Jesu Gedanken
zu kauen, Jesus, der wohl gottnaheste Mensch, der auch für den
menschennahesten Gott bürgt. Und der Geist ist das, was die Kreatur
beatmet, jedes Objekt der Schöpfung materialisierter Geist Gottes -
vielleicht.
Gott selbst denken - da kommen mir nur Schatten unseres Wunschdenkens bei
raus. Wir müssen Gott denken, das ist wahr. Aber das geht immer so:
vom Kleinen zum Großen. Wenn schon der Mensch hört, wieviel mehr
dann er, wenn schon eine Mutter sich für ihr Kind zerreißt, wieviel
mehr denn Gott für seine Welt. Auch das Wort "Vater" oder "Mutter des
Lebens" ist doch Irdischem abgeguckt. Aber das Abgucken, das Imitieren ist
uns wohl ins Herz gelegt. "Gott hat uns die Ewigkeit ins Herz gelegt",
heißt es in der Bibel. Er hat gemacht, daß wir ihn denken
müssen als unser Bestes. Und uns denken als sein Bestes. Ohne das er
nicht sein will, darum ist der Tod auch kein Schluß, sondern ein
Verwandeltwerden.
Wie Gott denken an und für sich? Daß
es vollends nicht geht, zeigt mir die Geschichte von Paulus in Athen
(Apostelgeschichte 17). Der große Gotteskenner der Christenheit verbeugt
sich vor den Gebildeten der Stadt; Bürger von Athen: ich sehe, dass
ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen
und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand
geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr
unwissend verehrt: Wohl wahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter
uns. Denn in ihm leben, wirken und sind wir; wie auch einige Dichter bei
euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts. Darum will Gott auch ewig
mit uns leben, und das hat er mit der Auferstehung Jesu Christi von den Toten
uns verbürgt.
Gott selbst - wir denken ihn ja räumlich:
über uns "über unserm Sternenzelt", oder auch in uns "als moralisches
Gesetz in uns". Aber Paulus sagt: "wir leben und wirken in ihm" - wie das
Kind im Mutterleib, sind wir von Gott umgeben. Also das Universum sein Leib,
wir die Zellen, in deren Einzelbewußtsein Gott Wirklicheit ansetzt.
Sein Sinn ist mir nicht Triumph, sondern Sympathie: "es beliebt seiner
Herrlichkeit, sich mit Geschlechtsunterschieden und Armeen und vielleicht
mit der Zeit abzugeben, da die Zeit - unblasphemisch ausgedrückt - SEIN
Wille ist" ( H.Brodkey). Er, der "Allfühlende"(R.Musil). Und wir in
ihm.
Dann ist Gott Alles, auch das, was noch wird. Paulus sagt: Gott wird sein
"Alles in Allem", der Treiber und das Treibgut von allem, auch "das Lebendige
in allem Fleisch".
"Du sollst dir kein Bildnis machen", das zweite Gebot gilt. Denn groß
wie die Welt ist er und im einzelnen Samenkorn vollständig da - die
kosmischen Räume der Astronomie sind sein Revier, Licht ist sein Kleid
und der durch den Asphalt brechende Grashalm ist sein Fingerabdruck. Jedes
Menschenantlitz hat er sich zum Bilde bestimmt. Und einen Menschen besonders,
- was aber umstritten ist: Fragst du wer er ist: er heißt Jesus Christ.
Und wer ihn besonders zu kennen scheint.
Paulus sagt: "der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit"
(1. Korinther 2,10). - Jetzt haben wir die Teile des Dreiecks zusammen, die
drei Rollen Gottes: Er ist Schöpfer, ist der heilende Christus und der
heilige Geist, die Verstehkraft: Das heilige Dreieck, darin ein offenes Auge.
Gott, dein Hüter, schläft nicht. Er liebt dich und braucht dich.
Das reicht. Amen.