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Keitumer Predigten   Traugott Giesen   28.04.2002

Das Hohelied der Liebe

1. Korinther 13:
"Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören...
Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen."

Gegen den Tod hilft nur die Liebe. Dieser Leuchtsatz stärkt, wo das Grauen uns anspringt, wie jetzt nach der Wahnsinnstat von Erfurt, stärkt auch gegen den Sog der Ermattung. "Liebe ist stark wie der Tod und eine feurige Flamme des Herrn" sagt die Bibel.- Ein Fädchen davon ist auch noch im Witwer, der seines Hundes wegen weiterlebt. Der Tod trennt, er reißt voneinander. Die Liebe verbindet, fügt das Verschiedene zusammen, lässt ein Neues werden, geliebt erlebe ich mich als anerkannt, gewollt, brauchbar, nötig, eben als Teil von einem Ganzen, ich fühle mich ganz.

Wie wichtig die Liebe ist: Da kann ich mit Engelszungen auf einen einreden, wenn ich ihn nicht liebe, ist es Wortrauschen, Wortgeklingel - es kommt nicht an, ich erreiche ihn nicht, verkenne ihn. Auch wenn ich einen verhöre, muß er sich doch verstellen. Die Liebe sagt: "Hör nicht so genau auf alles, was ich sage ... Versteh mich" (H.Brodkey).
Und wüßte ich alle Geheimnisse, hätte allen Glauben, - ohne Liebe, weiß ich nicht, wo ich hingehöre, ich wäre ein Nichts, ein Puzzleteil, das aus dem großen Kasten gefallen ist.
Sogar alles Erbarmen ohne Liebe, ohne also diesen Menschen zu meinen, ist mir nichts nütze, - dem andern wohl schon. Aber mir hilft mein Erbarmen nur, wenn ich den andern als Ergänzung meinerselbst sehe, ich also ihn und mich zusammengehörig weiß, seinen Mangel und meinen Überschuß sich ergänzen sehe. Sein Überschuß an Not und mein Mangel an Bedürftigkeit bedingen sich, und brauchen sich. Er macht meine Wohltaten locker, ich helfe ihm, daß auch er zu geben hat. Diese Ergänzungsfreude ist Liebe. Um mein Nicht- Komplettsein wissen, macht, daß ich zugehören will. Zugehören wollen und zugehören lassen ist Liebe, mit dem andern eins machen, den andern mit mir eins machen lassen, ist Liebe, natürlich nur, wenn die Freiheit gewahrt bleibt. Lieber werde glücklich ohne mich, als daß du neben mir unglücklich wärest, sagt die Liebe.

Ja, die Liebe ist langmütig und freundlich, sie eifert nicht, sie lässt sich nicht erbittern. Aber Paulus scheint die drängenden Anteile der Liebe etwas verdeckt zu haben. Den Anderen auch mal schütteln, ihm die Meinung sagen, gehört dazu und sich nicht ausbeuten lassen, erstens weil man dazu keine Lust hat, zweitens weil man den andern nur zum Mies-Sein verleitet. Liebe erträgt nur, wenn es dem andern zugut ist, und dann auch nicht immer. Den lieben, der einen in Bosheit unglücklich gemacht hat ist übermenschlich. Und den lieben, der aus Liebe einen unglücklich gemacht, - das zu erwarten hat keiner ein Recht. Lieben sollst du den Nächsten wie dich selbst - nicht mehr, nicht weniger - das ist die Kunst. Also auch mal dulden, wenn es dem Nächsten gut ist, klar, also ihm Zeit schafft, aber bedingungslos den unteren Weg gehen. Es kann sein, dass eine Liebe das muß, und die andere muß es nicht. Wahrscheinlich haben die Frauen mehr geliebt, bisher. Rilke sagte: "Die Frauen haben Jahrhunderte lang die ganze Liebe geleistet, sie haben immer den vollen Dialog gespielt, beide Teile. Denn der Mann hat nur nachgesprochen und schlecht. Und hat ihnen das Erlernen schwer gemacht mit seiner Zerstreutheit, mit seiner Nachlässigkeit, mit seiner Eifersucht...Und sie haben trotzdem ausgeharrt Tag und Nacht und haben zugenommen an Liebe und Elend." Musil nennt die Frauenliebe die "vulkanische Stelle, von deren Wärme alles lebt, was auf der Erdoberfläche blüht." - obwohl es da auch viel Krankhaftes gibt. Und nicht Liebe ist, sondern ein Sich-Selber-Aufblasen, man möchte zu gern der von diesem Menschen Geliebte sein, ob der das will oder nicht.

Liebe ist heilig, ist Gottes Stoff. Sie hört nicht auf, weil Gott nicht aufhört. Aber uns kann sie ausgehen. Wir können liebeleer werden, alle Berührung kommt an als Wärmeverlust, alles Sichkümmern als Übergriff. All unser Lieben bleibt Stückwerk, wie unsere anderen Begabungen auch: Wissen, Überzeugen, Erkenntnis - alles Zeitliche, Irdische ist vergänglich, ist bruchstückhaft, schnell ermüdbar. Doch als Sehnsucht bleibt die Liebe - sie treibt uns an, hält uns in Suchbewegung. Etwas in uns zieht uns magnetisch nach vorn, als gingen wir auf ein großes Geliebtsein zu. Wir hoffen auf eine Art von Vollkommenheit, die uns mit einhüllt und heilt. Sie ist die unvergängliche Liebe, Gott selbst. Liebe ist Wahrnehmen und Wahrgenommenwerden, Anerkanntwerden und Anerkennen als einzigartig wunderbar. Das gelingt jetzt nur schemenhaft. Wie in einem beschlagenen Spiegel sehen wir einander nur in Umrissen, durch Ablenkungen und Übertragungen verdünnt, lieben wir den anderen nicht als Einzigartigen, sondern eher als Verlängerung von Vater, Mutter, Bruder, Schwester, als Ergänzung eines anderen geliebten Menschen, oder als das Abbild, wie man selbst mal war. Wir tun auch Gutes dem Nächsten als Gattungswesen, weil es ein Mensch, irgendein Mensch ist, wir genießen den anderen auch, weil wir die Gesamtheit des anderen Geschlechts auf ein einziges geliebtes Wesen beziehen.

Dann aber werden wir erkannt, anerkannt, geliebt von Angesicht zu Angesicht. Wie mich Gott schon seit immer meinte, so werde ich mich sehen: entpuppt, entwickelt, geheilt. Von Angesicht zu Angesicht mit Gott werde ich vollkommen. Und vollkommen lieben. Davon einen Hauch schon jetzt leben, ist unser Auftrag. Liebe irdisch, ist den andern schon zu ahnen als Bruchstück Gottes in seiner einzigartigen Wunderbarkeit. Nach Martin Walsers Wort "Der Mund des Gastes macht den Wein gut." Kann auch gelten: Der Kuß des Nächsten macht mich gut. Oder anders: Dein Lieben macht mich mir lieb. Jedem sei ein Mensch gewünscht, von dem er sagen kann:" Ich liebe dich, wie du bist, und ich liebe mich, wie ich bin, wenn ich bei dir bin."

Die Liebesumarmung ist uns Menschen geschenkt als eine intensive Erfahrung, mit dem geliebten Menschen ein Ganzes zu werden. Wenn es glückt mit beiden, machen sie einen Weg in die Unsterblichkeit (Jaques Lacan) - sagt man. Aber diese eine Schale aus Zweien hält nur kurze Zeit, dann muß jedes wieder zu sich selbst kommen.- Unsere Abbildungen von Ganzheit sind Anfänge, gelobt seien die Anfänge. Auch ein Abbild für einen Köper ist ein Chor, ein Orchester, - diese Klangkörper können auch nur kurz eins sein, aber dann sind sie auch Vorgeschmack auf den Himmel.

Aber es ist noch vieles andere schwingende Schöne Beispiel für ein gutes Ganzes, das sich hier schon zeigt:
Das Enkelkind ruft Oma an. "Ich brauche keinen Schnuller mehr, Oma!" Und Oma: "Ganz schön, ich freue mich mit". "Und Mama hat mir einen Tuschkasten gekauft. Und ich habe ein schönes Bild gemalt." Oma: "Schickst du das mir?" "Nein, Oma, das behalte ich selber." "Aber vielleicht malst du mir ja ein neues Bild?" "Ja, das kann ich machen."
Vielfache sprüht hier Liebe: 1. Die Lust des Enkels, seinen Fortschritt mitzuteilen. 2. ein angemessenes Geschenk: ein Tuschkasten und damit das Versprechen, mit dem Kind etwas zu machen. 3. Oma zeigt Ihr Interesse am ersten Bild. 4. Die Selbstachtung des Kindes, es weiß sich zu behaupten, kann sich abgrenzen. 5. Die Oma schnackt dem Kind seinen Willen nicht ab, sie nimmt den Willen, das Bild selbst behalten zu wollen, nicht als Liebesentzug, sondern freut sich an dem Eigenwillen des Kindes und führt die Enkelin zum nächsten Projekt.

Das Erste und Letzte, das Höchste und Entscheidende der Liebe ist der Sinn füreinander - der unerklärliche , unauffindbare, geheimnisvolle Gund, warum gerade diese zwei Menschen beieinanderstehen und zueinander halten. Wir leben auf im Menschen, den wir lieben. Und wer liebt, kennt die verborgenen Schätze, an denen ihm Gott schon Anteil gibt (nach Zenta Maurina). Amen.


 




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