Keitumer Predigten Traugott
Giesen 09.09.2001
Habt Acht auf eure
Frömmigkeit
Matthäus 6,1-4 "Habt Acht auf eure
Frömmigkeit! Übt sie nicht vor den Leuten, um von ihnen gesehen
zu werden; ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du
nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es
die Heuchler tun auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden.
Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. Wenn du aber
Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut,
damit dein Almosen verborgen bleibe; und dein Vater, der in das Verborgene
sieht, wird dir's vergelten."
Habt acht auf eure Frömmigkeit - Dieses
Wort öffnet Welten, gibt tief zu denken. Ganz nah an dir selbst ist
deine Frommheit, sie ist dein Ich zu Gott gekehrt, der Bug deines Schiffes
namens Ich. Nichts soll sich zwischen dich und das Herz aller Dinge
drängen. Hat mal einer gesagt, er rede direkt mit Gott, ohne Zwischenhandel
- damit meinte er die Pastoren, auch ohne Kirche, weil die nur zur
Äußerlichkeit verleite.- Aber gut, dass wir Gottesdienst halten
mit vielen. Allein singen ist nicht falsch, aber eintönig - wie mit
sich selber sprechen. Wir brauchen doch Gemeinschaft und die uns. Man muß
doch zum Gottesdienst gehen können, ohne um vor den Leuten fromm zu
scheinen.
Heute ist es ja schon umgekehrt, man geht leichter
im Urlaub zur Kirche, auch um privat bleiben zu können; will nicht das
Clubleben der eingesessenen Gemeinde, aber auch das ist doch schon wieder
überholt - wie brauchen die Gemeinden gerade wache Menschen, um Christsein
im Quartier zu gestalten, um überhaupt sich wiederzufinden in Vertrautem.
Und um nicht zu vereinsamen im "Hier ein Häppchen Meditation" und dort
"einen Schlag Aktion". Man kann zur Kirche gehen auch wegen der Leute, -
weil man sie mag. Familientreffen der etwas anderen Art, wir wollen doch
auch im Himmel nicht allein sein.
Habt Acht auf eure Frömmigkeit - gut, dass
Feste im Jahreskreis das Thema noch in die Kalender bringt; Taufen,
Konfirmationen, Hochzeiten, Silberne, Goldene Hochzeiten, Beerdigungen noch
uns versammeln, um die Schnittstellen des Lebenslaufes mit - ja ich sags
- "mit Frömmigkeit zu versehen". Ebenso die Sonntage, einige wenigstens
- nicht um anderen was zu beweisen, sondern um mich zu klären, mich
in eine innere Ordnung zu rufen, dass ich nicht verwildere auf meinem Lebensacker
und verwahrlose in meinem Zugottgehören. Wir brauchen einige sakrale
Verabredungen, sonst machen wir für Zahnpflege mehr als fürs
Seelenleben.
Gebete lernen, Konfirmanden, die eingeweiht
werden in christliche Erfahrung, Christus von weitem wenigstens kennenlernen
als Bild für den nahen Gott - viel Lernstoff ist schon verloren und
- am schlechten das Gute: damit ist auch viel Vorurteil gar nicht erst
eingesät. Hoffentlich haben wir Beten gelernt, indem wir mitbeteten,
die gelernten Gebete als Geländer fürs eigene. Doch, du merkst
wie deine Seele redet zu wem außer und über dir, der dich umgibt.
Wie oft dankst du insgeheim am Tag, jedes Lachen ist doch ein anonymes "Lobe
den Herrn", jedes Glücksgefühl ein "dem Himmel sei Dank". Du gehst
ja mit Gott Hand in Hand, wenn du mit Kind, mit Enkel, mit dem Geliebten
an der Hand gehst. Ich sprach vor kurzem mit einem brillanten Fotographen,
der weit von sich wies, fromm zu sein. Ich sagte ihm: Aber Sie mühen
sich um Gott, sie stehen um fünf Uhr morgens auf, wenn ein Sonnen- und
Wolkentag aufgeht. Sie wollen die Schönheit der Schöpfung einfangen,
Sie wollen die Augenblicke sammeln, in denen der Himmel die Erde küsst.
Sie halten Gottesdienst, indem sie die Natur lesen als Mitteilung des
Wunderbaren. Ihre Bilder zeigen die Welt im Licht des Vertrauens," ja, es
kann noch gut werden mit uns". Sie schauen Gott zu, wenn Sie wieder eine
Inszenierung für gelungen halten, lichten sie sie ab und klatschen ihm
Beifall. Das ist Frömmigkeit, ähnlich wie ein Wissenschaftler von
der Natur, dem Mantel Gottes, den Saum lüftet und die Machart studiert.
Der Lichtbildner stutzte und bedankte sich für den Nachdenkestoff.
Achtet wir auf unsere Frömmigkeit - auf
diese Rückbindung zu den guten Mächten, nehmen wir uns Zeit für
innen, dann, gestärkt mit Lebensmut, geht das Handwerk des Lebens gut
vorwärts. Das große Du deines Lebens, ist nicht dein Vater, deine
Mutter, dein geliebtester Mensch, oder Firma, Staat, - sie alle sind mit
dir Irdische, Sterbliche, gleichermaßen fehlsam, auch mit Eigeninteressen
behaftet, noch Lernende, zu Versuchen und Irren bestimmt, nicht im Besitz
der Wahrheit. Wir alle sind noch der Vergebung bedürftig, sind noch
auf dem Weg, wir selbst zu werden. Jesus sagt einmal: Wer nicht seinen Vater,
seine Mutter, Geschwister, sich selbst hasst, kann nicht mein Jünger
sein. Wer mir nachfolgt, der nehme sein Kreuz auf sich (Lukas 14,26,27).
Jesus predigt keinen Haß, sondern in
drastischen Worten spricht er uns frei von einer Treue gegen anderer Menschen
Werte; wir sind nicht festgeschrieben auf Familientraditionen oder Volkssitten
oder Geschichtsbilder, auch nicht festgelegt auf die Frömmigkeitsmuster
von zu Hause. Und jeder nehme sein Kreuz auf sich, er selbst zu werden, erste
Person Einzahl. Jeder Mensch ist berufen sein Ich zu leben, einzigartig,
Person, genommen von der Maske im griechischen Theater, wo Gott
hindurchtönt, "personare".-
Wie leben, dass deine Einzigartigkeit zur Geltung
kommt, das göttliche Funkeln, das genau dir eingespeist ist, wie das
gelten lassen? "Wir werden an unserer Magnetkraft, an seinem
Einfluß-auf-andere und an allem möglichen gemessen, das mit den
Arten von Macht zu tun hat, die man besitzt" (Harold Brodkey) Was man ist,
ist also eigentlich nur das, wofür man von allen gehalten wird; eine
Reaktion der andern. (Robert Musil) - Dagegen: Gott, du stellt meine
Füße auf weiten Raum (Psalm 31,9). Ich bin doch Äußerung
deinerselbst, zu deinem Bild berufen - was werde ich der Menschen Knechte.-
Gut von den Vorigen zu lernen, aber "In Christus bist du eine neue Kreatur,
das alte ist zum Vergehen bestimmt; ein Neues ist im Werden" (2. Korinther
5, 21). Du, im Werden - von Gott erleuchtet. Diese Begabung, diese
Frömmigkeit pflege. Mensch, hüte deine Seele. Tu nichts, um anderen
zu gefallen, nichts, um einen guten Menschen zu geben. Tu nichts, um deine
Außenansicht zu schmücken, deinen Ruf zu mehren, deine Ehre ins
rechte Licht zu rücken. Und unterlass auch nichts, nur weil es Ärger
geben könnte, wenn du es für gut hältst. "Alles, was Gott
geschaffen hat, ist gut. Und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung genossen
wird. (1. Timotheus 4,4). Und Paulus: "Warum sollte ich das Gewissen eines
anderen über meine Freiheit urteilen lassen? Wenn ich's mit Dank von
Gott nehme, warum sollte ich es mir madig machen lassen von anderen" (1.
Korinther 10,29.30)? Hüte deine Seele, geh mit deiner Seele um wie mit
einem Kind. Behutsam, bewahre sie vor dem Anblick von Gräueln, sinne
nicht auf Gemeinheit, steck lieber ein und mach einen Bogen - wie die Weisen
aus dem Morgenland, die um Herodes auszuweichen auf anderem Wege wieder nach
Hause ritten
Achtet auf eure Frömmigkeit - verknüpft
Jesus unmittelbar mit dem Gutes-tun. Posaune nicht deine guten Werke aus.
Im Gegenteil, verberge sie sogar vor dir selbst. Anscheinend ist unsere
Gottesverwandtschaft besonders gefährdet bei dem leidigen Kapitel: Dank
erwarten. Wir sollen nichs tun, um bei andern gut dazustehen oder Bonuspunkte
zu machen. Lassen wir unser Herz sprechen. Hören wir auf unsere Seele.
"Wenn du gibst, dann laß deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte
tut" (Matthäus 6,3). Das ist gesagt, damit wir unser rechnendes Wesen
nicht zu groß werden lassen. Wir sind in ein Netz aus Geben und Nehmen
eingeknüpft, es existiert aber vor meinem Geben, ich nehme in Unmengen,
auch gebe ich. Aber alles Geben ist eigentlich Zurückgeben, wir haben
viel anvertraut bekommen, darum erwartet man viel von uns (Lukas 12,48).
Jesus will uns frei, dass wir geben weil wir
Freude haben am Geben - dem anderen zur Hilfe kommen, ihn fördern, ihm
Chancen einräumen ist ja Teilhaben am Gelingen des Lebens. Und wenn
andere von dir nehmen, als sei ihnen ein Apfel vom Baum in den Schoß
gefallen - und sie sagen nicht mal Dankeschön - bitte, laß dich
nicht kränken. Wir Menschen sind töffelig, und einige noch etwas
mehr.
Vergib und vergiß. Beschwer dich nicht.
Noch mit Undank. Geh, mach deins. Und wenn du das Gefühl hast, einer
nutzt dich aus, dann zeig ihm mal deine lange Nase. Du musst nicht mehr geben,
als du es für nötig hälst. Erscheint es dir aber nötig,
zu helfen, dann tu es, um deiner Seele willen. Und für deine Schuld,
bitte um Vergebung, zeig, dass dir leid tut, was du angerichtet hast, mache
gut, soweit wie möglich, auch stellvertretend für deine Eltern,
wenn sie dir nah sind. Wir bleiben behaftet mit dem was wir tun und lassen
- auch das macht unsere Frömmigkeit. Hilf deiner Seele, ihren Schaden
nimm Ernst. Amen.